„Mit
wem schreibst du denn da so fleißig?“, wollte Iggys neuer
Zimmergenosse neugierig wissen.
„Ach“,
wehrte der Rotschopf ab, „mit niemandem.“
„Ist
es vielleicht ein netter Junge?“
Iggy starrte den anderen
Feuer-Elementaristen mit weit aufgerissenen Augen erschrocken an.
„Jetzt
guck doch nicht so. Du bist doch schwul, oder?“
„Was
erzählst du da?“, antwortete Iggy aufgebracht.
„Du
musst es vor mir nicht verbergen. Ich habe da nichts dagegen. Einer
meiner besten Freunde ist bisexuell.“
„Ich
bin weder bisexuell noch schwul“, bestritt der rothaarige Schüler
vehement.
„Jetzt
hab dich nicht so. Ich wollte dich nicht angreifen. Bleib locker.“
Beleidigt verzog sich
Iggy im Badezimmer, doch Patrik sprach einfach etwas lauter weiter:
„Vielleicht
hast du ja mal Lust, meine Freunde kennenzulernen. Wir treffen uns
später im Park hier ganz in der Nähe. Ein bisschen chillen und so.“
Iggy antwortete nicht.
Stattdessen hörte man eine Klospülung.
„Dela
und Oliver sind echt nett. Ehrlich. Mit ihnen kann man viel Spaß
haben“, fuhr Patrik fröhlich fort.
Da kam Iggy zurück ins
Zimmer. Sein Blick war immer noch zu einem wütenden Gesichtsausdruck
verzerrt. Doch Patrik Flint ließ nicht locker und wartete eine
Antwort ab. Da sagte Iggy:
„Ich
muss noch lernen.“
„Ach
so ein Blödsinn. Das kannst du morgen immernoch. Jetzt stell dich
nicht so an. Du kommst mit!“
Für Patrik gab es keine
Widerworte.
Gegen 21:00 Uhr verließen
die beiden Feuer-Elementaristen das Internatsgelände und liefen in
Richtung des nahegelegenen Parks. Iggy fühlte sich komisch, weil er
Patriks Aufforderung nachgab und mit ihm mitkam. Außerdem wollte er
wissen:
„Sind
deine Freunde Elementaristen?“
„Nein“,
antwortete Patrik gelassen. „Ist das schlimm? Findest du, wir
sollten nur mit Unseresgleichen
abhängen?“
„Quatsch“,
wehrte Iggy schnell ab. Bevor er ins Haus 4E kam, besuchte er ja auch
eine normale Schule und hatte normale Freunde. Wahrscheinlich kannte
Patrik sie noch von früher und hielt den Kontakt bei. Das gelang ihm
nicht so gut, weil er in Frankfurt war und seine alten Freunde noch
immer in Köln lebten. So verlief es sich bereits in den ersten
Wochen im Haus 4E. Als er neulich in Köln war, hatte auch niemand so
wirklich Zeit für ihn gehabt. Nur mit einem alten Kumpel hatte er
sich getroffen und das war komisch. Daran merkte er, dass sich alles
verändert hatte.
Obwohl einige Laternen
den Park ausleuchteten, war es ziemlich dunkel. Aber Patrik kannte
den Weg und lief schnurstracks zu einer Bank. Es war nach wie vor
ziemlich kalt und die Bank war nass. Doch Patrik hatte die Lösung.
Er benutzte seine Feuerkraft, um die Bank zu trocknen.
„Hey!“,
ermahnte ihn Iggy. „Wenn das jemand sieht! Du weißt doch, dass wir
außerhalb des Internats unsere Kräfte nicht einsetzen dürfen.“
„Jetzt
sei doch nicht so spießig“, entgegnete ihm Patrik lachend.
Iggy wusste einfach
nicht, was er davon halten sollte. Sein neuer Zimmergenosse setzte
sich sodann hin und sagte:
„Sie
müssten gleich da sein. Jetzt setz dich hin und bleib locker. Alles
ist gut.“
Widerwillig nahm er dann
neben dem anderen Feuer-Elementaristen Platz.
Wenige Minuten später
sahen sie auch schon zwei Personen auf sie zukommen.
„Da
kommen sie endlich.“
Erst konnte er bei dieser
Dunkelheit lediglich schattige Umrisse erkennen, doch je näher sie
kamen, desto mehr sah Iggy.
Es waren ein Junge und
ein Mädchen etwa im gleichen Alter wie er. Und es waren definitiv
ebenfalls zwei Punker. Das Mädchen war sehr auffällig. Sie hatte
eine hellblaue Löwenmähne, krass dunkel geschminkte Augen und
jeweils einen Ring in einem Nasenflügel und in der Nasenscheidewand.
Doch das auffälligste waren ihre Arme, die von oben bis unten
tätowiert waren. Also musste sie tatsächlich schon volljährig
sein, dachte sich Iggy. Die Tattoos waren eine bunte Mischung aus
Tribals, Comicfiguren und Sprüchen. Wahrscheinlich brauchte man
seine Zeit, um sie sich alle genau anzuschauen. Ihr Blick war
ziemlich grimmig.
Der Junge hingegen wirkte
sehr aufgekratzt, geradezu kindlich. Er hatte einen dunklen
Hautteint. Auf seinem Kopf trug er mittig einen Streifen seiner
braunen Haarkrause. Seitlich war er kahl rasiert. Er schien keine
Piercings zu haben – nicht einmal im Ohr. Aber sein buntes Outfit
war sehr auffällig. Obenrum trug er noch ein ärmelloses, schwarzes
Shirt, aber seine Hose war eine grellbunte Leggins. Iggy hätte sich
so nicht vor die Tür getraut. An der einen Hand hatte er eine Menge
bunter Armbänder.
„Darf
ich vorstellen, das sind meine Freunde Dela Juric und Oliver Anders.“
„Hi“,
begrüßte ihn Oliver und umarmte ihn freundschaftlich. Das fand Iggy
sehr seltsam. Das Mädchen setzte sich einfach auf die Bank und sagte
keinen Ton.
„Und
du bist auch ein Feuermagier?“, wollte Oliver wissen.
„Was?“,
antwortete Iggy verblüfft.
„Kannst
du auch Feuer erschaffen?“, fragte der fröhliche Junge noch einmal
anders.
„Patrik,
du hast es ihnen erzählt?“, wendete er sich erschrocken an seinen
neuen Zimmergenossen.
„Was
ist denn schon dabei?“, antwortete Patrik nach wie vor mit einer
stoischen Gelassenheit.
„Du
weißt, dass das verboten ist!“, entgegnete Iggy nachdrücklich.
„Jetzt
bleib doch mal cool und sei nicht so ein Konformist. Regeln sind da,
um gebrochen zu werden.“
Iggy konnte es nicht
fassen. Da ging er hinaus und posaunte die Geheimnisse der
Gesellschaft der Elementaristen hinaus. Und nun machte er sich zum
Mittäter. Er wollte gar nicht wissen, was passierte, wenn das jemand
herausfand.
„Du
bist ja echt süß, wenn du dich so aufregst“, schmeichelte Oliver
ihm.
Da lief Iggy vor Scham
rot an. So hatte noch nie ein Junge mit ihm gesprochen.
„Hatte
Patrik eigentlich erwähnt, dass ich bi bin?“
Iggy musste unwillkürlich
grinsen. Seine Ohren leuchteten bereits in einem kräftigen Rot.
Dieser Junge war ja ziemlich aufgeschlossen, befand er. So jemanden
hatte er noch nie erlebt.
Währenddessen lag Aria
in ihrem Bett und hörte über Kopfhörer Musik. Ihre Zimmergenossin
stand vor dem Kleiderschrank und probierte ein Outfit nach dem
anderen an.
„Was
machst du da eigentlich?“, fragte sie schließlich.
„Ich
suche das passende Outfit für heute Abend.“
„Hast
du noch etwas vor?“
„Ich
gehe in einen Club“, antwortete Brisa und fragte wie beiläufig:
„Magst du vielleicht mitkommen?“
„Heute
Abend noch?“
„Warum
nicht?“
Eigentlich hatte die
Luft-Elementaristin keine Lust, ausgerechnet mit dieser Zicke
auszugehen. Aber andererseits liebte sie es zu tanzen und würde
keine Gelegenheit ungenutzt lassen.
„Also
gut“, erwiderte sie und sprang aus dem Bett. „Gib mir eine
Viertelstunde!“
Und damit ging sie ins
Bad.
Als sie später im Club
ankamen, war er ziemlich leer. Nicht viele waren auf der Tanzfläche,
aber das hielt Aria nicht davon ab, ihre Moves zu zeigen. Ohne Brisa
vorzuwarnen, schwang sie eine heiße Sohle aufs Parkett. Ihre
Zimmergenossin konnte nur daneben stehen und staunen. Sie wusste
garnicht, dass Aria eine hervorragende Tänzerin war. Sie selbst
hingegen war nicht die schlechteste Tänzerin, aber überhaupt nicht
vergleichbar mit ihrer Mitschülerin. Da traute sie sich garnicht
neben ihr auf die Tanzfläche.
Irgendwann war Aria
umringt von Leuten, die sie anfeuerten. Das spornte sie noch mehr an
und Brisa stand unbeachtet am Rand. Das nervte die schöne
Luft-Elementaristin total. Normalerweise schaute man sich nach ihr
um, aber jetzt war sie wie abgestempelt. Das hatte sie sich von dem
Abend nicht vorgestellt.
Ihre
Eifersucht wuchs und irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Sie
bückte sich, als ob ihr etwas heruntergefallen war und mit einer
kleinen Handbewegung löste sie einen Windstoß in Richtung Aria aus,
der sie von den Schuhen stieß. Aria fiel mit voller Wucht auf den
Boden. Sofort eilten ihr ein paar Leute zur Hilfe. Brisa hingegen
grinste in sich hinein und freute sich über Arias Unfall.
Humpelnd kam die
weißblonde Schülerin auf sie zu und raunte:
„Warst
du das etwa?“
Brisa grinste lediglich
fies und antwortete:
„Du
solltest lieber aufpassen. Die Tanzfläche kann ganz schön glatt
sein.“
„Die
Tanzfläche ist nicht glatt. Ein Windstoß hat mich getroffen und
umgeworfen. Mein Fuß ist sofort angeschwollen.“
„Ach
ja?“, fragte sie gespielt unwissend nach.
„Du
bist echt gemein!“, warf Aria ihr vor und ließ sie einfach stehen.
Sie machte sich alleine auf den Weg zurück ins Internat.