[Lady Diamond 1] Kapitel 5

Der Herrscher der Dunkelheit war erzürnt. Er erhob sich von seinem Thron und stellte sich mit verschränkten Armen vor seinen Schattenritter, der mit gesenktem Kopf vor ihm kniete.
„Es tut mir sehr leid, Eure Majestät!“
„Wieso bringst du mir keinen Edelstein?“, brüllte er den Ritter in der roten Rüstung lautstark an.
„Ich kann es mir nicht erklären. Mein Zielobjekt hatte sich in ein Monster verwandelt. Sie hatte keinen Edelstein in sich“, erklärte Sir Acidum kleinlaut. „Leider ist sie irgendwie zurückverwandelt worden. Ich weiß nicht, wie.“
„Ruhe!“, befahl der König. „Verlasse den Thronsaal und bringe mir Sir Nix.“
Er tat, wie es ihm aufgetragen wurde. Nur wenige Augenblicke später befand sich der zweite Ritter mit einer dunkelblauen Rüstung vor dem Thron. Der König hatte mittlerweile wieder dort Platz genommen.
„Ihr hattet nach mir verlangt, mein König Umbra“, sprach der Schattenritter mit dem kahlen Schädel und verbeugte sich tief.
„Sir Nix“, sagte der Herrscher, „mein Ritter mit der Kraft der eisigen Kälte, du sollst für mich die Edelsteine finden.“
„Euer Wunsch ist mir Befehl, mein König.“
Damit erhob sich der Schattenritter und verließ den Thronsaal.


Lorena saß zuhause auf ihrem Bett und betrachtete ihr Amulett. Sie konnte gar nicht richtig glauben, was geschehen war. Wenn sie nicht den funkelnden Stein in den Händen halten würde, hätte sie wahrscheinlich geglaubt, das alles wäre nur ein Traum gewesen.
Der Edelstein schimmerte im weißen Glanze. Das Mädchen fragte sich, ob sie seinetwegen eine weiße Strähne hatte. War es der Edelstein, der dies verursachte. Sie verglich die Farbe ihrer Strähne mit der des Diamanten. Als der Stein ihr Haar berührte, breitete sich die weiße Farbe immer mehr auf ihrem Kopf aus.
Was passiert hier?, wunderte sie sich.
Sie ließ den Diamanten auf das Bett fallen, doch sie spürte, dass sich etwas auf ihrem Kopf veränderte. Sie stand schnell auf und stellte sich vor ihren Schminkspiegel. Sie sah mit entsetztem Blick, dass sich das Weiß auf ihrem Kopf ausbreitete, bis das komplette Haar in dieser Farbe erstrahlte. Sie fuhr sich mit der Hand verwundert durchs Haar.
Was geschieht mit mir?
Völlig perplex schaute sie sich ihr Haar von allen Seiten an. Dann dachte sie an den Kampf mit dem Monster und ihr wurde klar, dass sich damit ihr Leben komplett verändert hatte. Sie war nicht mehr die unscheibare Lorena Heller, sondern eine unbezwingbare Kämpferin der Reinheit geworden. Nun war sie Lady Diamond.
Und warum sollte man bei einer derartige Wandlung nicht mit einer neuen Haarfarbe starten. Und diese Farbe war so außergewöhnlich wie ihre Kräfte. Neues Selbstbewusstsein breitete sich in ihr aus.
Sie schnappte sich ihr Smartphone und rief die Social Media App Instagram auf. Sie startete die Kamera und drehte ein kurzes Video von sich selbst, in dem sie sagte:
„Hallo, ihr Lieben. Ich weiß, es ist etwas gewagt, aber ich habe mir eine neue Haarfarbe zugelegt. Mir gefällt sie und euch?“
Bei diesen Sätzen lächelte sie voller Selbstvertrauen in die Kamera. Den Clip versetzte sie mit dem Hashtag „whitehair“ und lud ihn in ihre Story hoch. Nun konnten ihre Abonnenten das kurze Video für 24 Stunden anschauen.
Plötzlich ploppten einige Benachrichtigungen auf ihrem Display auf. Überrascht starrte Lorena auf ihr Handy. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie über einhundert neue Abonnenten gewonnen. Vorher folgten ihr gerade mal ein paar Schulfreunde. Doch jetzt stieg die Zahl an und es hörte nicht mehr auf. Als sie auf ihre Abonnentenzahl schaute, freute sie sich über mehr als 500 Abonnenten.
Freudig lief sie in die Küche, wo ihre Mutter gerade das Abendessen vorbereitete. Als sie ihre Tochter erblickte, erschrak sie und sagte:
„Wie siehst du denn aus? Was hast du mit deinem Haar gemacht?“
Die Fünfzehnjährige hatte völlig vergessen, dass ihre Eltern entsetzt sein würden.
„Oh“, stockte Lorena, „ich war beim Frisör und habe mir die Haare färben lassen.“
„In weiß?“, hakte die Mutter erschrocken nach und schlug sich die Hand vors Gesicht.
„Ja, Mama“, gab das Mädchen zu. „Eigentlich wollte ich mir die eine weiße Strähne dunkler färben lassen, aber die Frisörin erklärte mir, dass weiß gerade total im Trend liegt. Also habe ich mich überreden lassen.“
„Wie bitte?“, brüllte Lorenas Mutter los. „Welche Frisörin war das? Der werde ich einen Besuch abstatten. Das ist unverantwortlich.“
„Bitte, Mama“, flehte Lorena, „mir gefällt es sehr. Ich fühl mich jetzt viel selbstbewusster.“
Mit diesen Worten konnte sie ihre Mutter etwas überzeugen. Schon länger hatte sich Frau Heller ein wenig Sorgen um ihre Tochter gemacht, weil sie so ein graues Mäuschen war und es schwer hatte, Freunde zu finden. Wenn sie damit mehr Selbstvertrauen gewann, sollte sie es ihrer Tochter erlauben.
„Na gut“, sagte die Mutter, „im Notfall kann man ja bestimmt wieder eine andere Farbe darüber färben.“
„Genau“, stimmte Lorena zu. „Mein Haar ist weiß. Fast jede Farbe lässt sich leicht darüber färben, meinte meine Frisörin. Wenn ich das Gefühl habe, es ist nicht das richtige, gehe ich sofort wieder hin und lass eine andere Farbe draufmachen.“
„In Ordnung“, sagte Frau Heller nun beschwichtigt. Und damit fuhr sie fort, das Essen vorzubereiten. Sie fügte lediglich hinzu: „Lass es mich aber deinem Vater erklären. Er versteht nichts von Mode und würde ausrasten.“
Nun musste die Fünfzehnjährige laut loslachen und ihre Mutter stimmte mit ein.