Der
Herrscher der Dunkelheit war erzürnt. Er erhob sich von seinem Thron
und stellte sich mit verschränkten Armen vor seinen Schattenritter,
der mit gesenktem Kopf vor ihm kniete.
„Es
tut mir sehr leid, Eure Majestät!“
„Wieso
bringst du mir keinen Edelstein?“, brüllte er den Ritter in der
roten Rüstung lautstark an.
„Ich
kann es mir nicht erklären. Mein Zielobjekt hatte sich in ein
Monster verwandelt. Sie hatte keinen Edelstein in sich“, erklärte
Sir Acidum kleinlaut. „Leider ist sie irgendwie zurückverwandelt
worden. Ich weiß nicht, wie.“
„Ruhe!“,
befahl der König. „Verlasse den Thronsaal und bringe mir Sir Nix.“
Er
tat, wie es ihm aufgetragen wurde. Nur wenige Augenblicke später
befand sich der zweite Ritter mit einer dunkelblauen Rüstung vor dem
Thron. Der König hatte mittlerweile wieder dort Platz genommen.
„Ihr
hattet nach mir verlangt, mein König Umbra“, sprach der
Schattenritter mit dem kahlen Schädel und verbeugte sich tief.
„Sir
Nix“, sagte der Herrscher, „mein Ritter mit der Kraft der eisigen
Kälte, du sollst für mich die Edelsteine finden.“
„Euer
Wunsch ist mir Befehl, mein König.“
Damit
erhob sich der Schattenritter und verließ den Thronsaal.
Lorena
saß zuhause auf ihrem Bett und betrachtete ihr Amulett. Sie konnte
gar nicht richtig glauben, was geschehen war. Wenn sie nicht den
funkelnden Stein in den Händen halten würde, hätte sie
wahrscheinlich geglaubt, das alles wäre nur ein Traum gewesen.
Der
Edelstein schimmerte im weißen Glanze. Das Mädchen fragte sich, ob
sie seinetwegen eine weiße Strähne hatte. War es der Edelstein, der
dies verursachte. Sie verglich die Farbe ihrer Strähne mit der des
Diamanten. Als der Stein ihr Haar berührte, breitete sich die weiße
Farbe immer mehr auf ihrem Kopf aus.
Was
passiert hier?,
wunderte sie sich.
Sie
ließ den Diamanten auf das Bett fallen, doch sie spürte, dass sich
etwas auf ihrem Kopf veränderte. Sie stand schnell auf und stellte
sich vor ihren Schminkspiegel. Sie sah mit entsetztem Blick, dass
sich das Weiß auf ihrem Kopf ausbreitete, bis das komplette Haar in
dieser Farbe erstrahlte. Sie fuhr sich mit der Hand verwundert durchs
Haar.
Was
geschieht mit mir?
Völlig
perplex schaute sie sich ihr Haar von allen Seiten an. Dann dachte
sie an den Kampf mit dem Monster und ihr wurde klar, dass sich damit
ihr Leben komplett verändert hatte. Sie war nicht mehr die
unscheibare Lorena Heller, sondern eine unbezwingbare Kämpferin der
Reinheit geworden. Nun war sie Lady Diamond.
Und
warum sollte man bei einer derartige Wandlung nicht mit einer neuen
Haarfarbe starten. Und diese Farbe war so außergewöhnlich wie ihre
Kräfte. Neues Selbstbewusstsein breitete sich in ihr aus.
Sie
schnappte sich ihr Smartphone und rief die Social Media App Instagram
auf. Sie startete die Kamera und drehte ein kurzes Video von sich
selbst, in dem sie sagte:
„Hallo,
ihr Lieben. Ich weiß, es ist etwas gewagt, aber ich habe mir eine
neue Haarfarbe zugelegt. Mir gefällt sie und euch?“
Bei
diesen Sätzen lächelte sie voller Selbstvertrauen in die Kamera.
Den Clip versetzte sie mit dem Hashtag „whitehair“ und lud ihn in
ihre Story hoch. Nun konnten ihre Abonnenten das kurze Video für 24
Stunden anschauen.
Plötzlich
ploppten einige Benachrichtigungen auf ihrem Display auf. Überrascht
starrte Lorena auf ihr Handy. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie
über einhundert neue Abonnenten gewonnen. Vorher folgten ihr gerade
mal ein paar Schulfreunde. Doch jetzt stieg die Zahl an und es hörte
nicht mehr auf. Als sie auf ihre Abonnentenzahl schaute, freute sie
sich über mehr als 500 Abonnenten.
Freudig
lief sie in die Küche, wo ihre Mutter gerade das Abendessen
vorbereitete. Als sie ihre Tochter erblickte, erschrak sie und sagte:
„Wie
siehst du denn aus? Was hast du mit deinem Haar gemacht?“
Die
Fünfzehnjährige hatte völlig vergessen, dass ihre Eltern entsetzt
sein würden.
„Oh“,
stockte Lorena, „ich war beim Frisör und habe mir die Haare färben
lassen.“
„In
weiß?“, hakte die Mutter erschrocken nach und schlug sich die Hand
vors Gesicht.
„Ja,
Mama“, gab das Mädchen zu. „Eigentlich wollte ich mir die eine
weiße Strähne dunkler färben lassen, aber die Frisörin erklärte
mir, dass weiß gerade total im Trend liegt. Also habe ich mich
überreden lassen.“
„Wie
bitte?“, brüllte Lorenas Mutter los. „Welche Frisörin war das?
Der werde ich einen Besuch abstatten. Das ist unverantwortlich.“
„Bitte,
Mama“, flehte Lorena, „mir gefällt es sehr. Ich fühl mich jetzt
viel selbstbewusster.“
Mit
diesen Worten konnte sie ihre Mutter etwas überzeugen. Schon länger
hatte sich Frau Heller ein wenig Sorgen um ihre Tochter gemacht, weil
sie so ein graues Mäuschen war und es schwer hatte, Freunde zu
finden. Wenn sie damit mehr Selbstvertrauen gewann, sollte sie es
ihrer Tochter erlauben.
„Na
gut“, sagte die Mutter, „im Notfall kann man ja bestimmt wieder
eine andere Farbe darüber färben.“
„Genau“,
stimmte Lorena zu. „Mein Haar ist weiß. Fast jede Farbe lässt
sich leicht darüber färben, meinte meine Frisörin. Wenn ich das
Gefühl habe, es ist nicht das richtige, gehe ich sofort wieder hin
und lass eine andere Farbe draufmachen.“
„In
Ordnung“, sagte Frau Heller nun beschwichtigt. Und damit fuhr sie
fort, das Essen vorzubereiten. Sie fügte lediglich hinzu: „Lass es
mich aber deinem Vater erklären. Er versteht nichts von Mode und
würde ausrasten.“
Nun
musste die Fünfzehnjährige laut loslachen und ihre Mutter stimmte
mit ein.