[Elementum 2] Stille Wasser - Kapitel 21

Es war der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien und Zeit zum Wichteln. Im Klassenraum von Frau Bottenberg herrschte reges Treiben. Jeder war ein wenig aufgeregt. Vor ihnen raschelten diverse Geschenktüten und eingepackte Päckchen. Frau Bottenberg hatte selbstgebackene Plätzchen für ihre Schüler vorbereitet und verteilte sie. Als Robin in eines hineinbiss, musste er sie für fantastisch befinden. Sie waren sehr lecker. Dann hielt die Lehrerin eine kurze Ansprache und forderte die Klasse auf, die Geschenke zu verteilen.
Jojo wollte es sogleich hinter sich bringen und brachte seiner Lehrerin das recht flache Päckchen.
Das ist aber süß“, kommentierte sie das Geschenkpapier mit den Schneemännern. „Das fühlt sich an wie ein Buch.“
Tatsächlich war es ein Backbuch mit Rezepten für verschiedene Weihnachtsplätzchen.
Ich hoffe, es gefällt Ihnen.“
Aber sicher doch“, entgegnete Frau Bottenberg freundlich. „Wie Sie heute festgestellt haben, backe ich sehr gerne Plätzchen. Es passt perfekt zu mir. Vielen Dank!“

Aria wollte gerade Robin ihr Geschenk überreichen, als sie sah, wie er sich erhob und auf direktem Wege auf Marina zu marschierte. Sie wollte kurz abwarten, bis er ihr sein Geschenk überreicht hatte, bevor sie ihm ihres gab. So lange würde es ja wohl nicht dauern. Zwar war sie ein wenig eifersüchtig, dass ausgerechnet Marina von ihm beschenkt wurde, aber so war das Spiel eben. Für die gezogenen Namen konnte keiner etwas.
Marina blickte den Sechzehnjährigen erstaunt an, als er vor ihr stand.
Das ist für dich“, erklärte der junge Mann und hielt ihr ein sehr kleines Päckchen und einen Brief hin.
Marina nahm es widerwillig an und legte es vor sich auf dem Tisch ab. Sie wollte ihm nicht sehr viel Beachtung schenken. Doch da Robin sich nicht von der Stelle bewegte, nahm sie es wieder in die Hand und riss das Papier von dem Päckchen auf. Darunter kam ein kleines Etui zum Vorschein. Sie öffnete es und darin befand sich ein kleiner Herz-Anhänger.
Hoffentlich gefällt es dir.“
Marina verzog keine Miene. Sie wollte ihm ja keinen Hinweis auf ihre Gefühlswelt geben. Gespielt desinteressiert öffnete sie den Umschlag. Darin erwartete sie eine gewöhnliche Weihnachtskarte. Stattdessen war ein handgeschriebener Brief darin. Versunken in den Zeilen laß sie ihn still durch:

Liebe Marina,

da du nicht mit mir sprechen möchtest, versuche ich mein Glück auf diesem Wege. In der letzten Zeit sind einige Missverständnisse zwischen uns aufgetreten, die mir sehr leid tun. Ich bin ein ungeschickter und dummer Junge, doch eines kannst du mir glauben: Ich habe dich sehr gern.
Die Verabredung mit Aria war schon lange ausgemacht. Da wusste ich noch nicht, dass ich mich einmal in dich verlieben würde. Es fiel mir so schwer, Aria abzusagen. Ich war einfach zu feige und das tut mir schrecklich leid. Aber als ich mit ihr unterwegs war, konnte ich nur an dich denken. Mir wurde bewusst, dass ich nur mit dir zusammen sein möchte. Und wenn du nur ein kleines Bisschen dasselbe für mich empfindest, würde ich mich darüber freuen, einmal mit dir ausgehen zu dürfen.

Dein Robin

Marina glaubte einfach nicht, was sie da laß. Plötzlich machte ihr Herz einen Sprung. Ihre Gefühle überwältigten sie. Sie schaute Robin in die Augen. Er stand da, mit leicht hochgezogenen Mundwinkeln und verschüchterten Augen. Wie ein kleiner Junge stand er vor ihr und wartete ihre Reaktion ab.
Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten und so sprang sie auf und fiel dem Elementum um den Hals. Auch er nahm sie in den Arm. Er war glücklich und zufrieden, wie er es wohl zuvor noch nie war.
Aria stand ein paar Meter entfernt und sah dies mit an. Eine heftiger Kloß blieb ihr im Hals stecken und ihr Herz verkrampfte sich. Eilig steckte sie das Geschenk für Robin wieder in ihre Tasche. Sie entschied sich, es ihm doch nicht zu geben. Enttäuscht schloss sie ihre Augen und eine Träne kullerte ihrer Wange hinab.

Iggy bekam davon zunächst nichts mit. Er ging auf Peter zu und überreichte ihm sein Geschenk. Es war ein Buch über Botanik, was der Rotschopf günstig im Internet bestellte. Seine romantischen Gefühle waren mittlerweile verflogen. Peter bedankte sich. Und da er wusste, dass Iggy mit Jojo befreundet war, fragte er ihn:
Sag mal, Ignaz, hat Joris mal etwas über mich gesagt?“
Wie?“, hakte der Feuer-Elementarist gespielt unwissend nach.
Na ja, hat er mal meinen Namen erwähnt?“
Keine Ahnung. Nicht, dass ich wüsste. Aber er erzählt ständig von seiner Freundin.“
Erschrocken sah der Erd-Elementarist Iggy an.
Freundin?“
Ja, er ist ja so verliebt und spricht ständig von ihr.“
Iggy war stolz auf sich, dass ihm das so spontan einfiel. Damit würde er seinem Kumpel bestimmt geholfen haben. Wahrscheinlich war er ihn nun ein für alle Mal los.
Wer ist denn seine Freundin?“, wollte Peter allerdings wissen.
Äh“, begann der rothaarige Elementarist unsicher. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen. Ihm fiel nichts Besseres ein, also antwortete er mit „Aria!“
Aria?“, fragte Peter noch mal nach. Dann blickte er sich um. Auch Iggy folgte seinem Blick und beide erspähten Aria, wie sie mitten in der Klasse stand und weinte.
Glücklich verliebt scheint sie ja nicht gerade zu sein“, kommentierte der Erd-Elementarist misstrauisch. Doch Iggy ließ ihn einfach so stehen und lief auf seine Freundin zu.
Aria? Was ist los?“
Das Mädchen sah Iggy an und wischte sich schnell die Tränen ab.
Nichts! Alles gut“, versuchte sie sich rauszureden.
Doch Iggy ließ sich nicht so leicht abschütteln. Er nahm sie an die Hand und zog sie aus dem Klassenzimmer. Da sowieso alle wild durcheinander redeten und beschäftigt waren, merkte es die Lehrerin nicht einmal.
Vor der Tür ließ der Feuer-Elementarist nicht locker:
Nun erzähl schon! Was ist los?“
Es ist Robin. Ich glaube, er steht auf Marina. Dabei dachte ich, wir seien ein Paar.“
Pah“, entgegnete Iggy leicht wütend. „Robin ist so ein Egoist. Er hätte dir schon längst sagen müssen, dass er auf Marina steht und dich nicht einfach so im Unklaren lassen dürfen.“
Arias Dämme brachen und sie fing zu schluchzen an. Iggy sprach einfach weiter:
Er nimmt überhaupt keine Rücksicht auf die Gefühle seiner Mitmenschen. Er weiß gar nicht, was er ihnen damit antut. So einen musst du vergessen. Der Zirkel ist gestorben!“
Aria blickte ihren hitzigen Freund verunsichert an. Sie war sich nicht sicher, ob sie das wollte. In einem Punkt hatte er zwar recht, aber andererseits wollte sie nicht, dass dadurch der Zirkel zerbrach. Nun hatte sie sogar ein schlechtes Gewissen.