Nicht mehr lange und die
Weihnachtsferien standen vor der Tür. Alle Schülerinnen und Schüler
des Hauses 4E durften zu dieser Zeit selbstverständlich zu ihren
Familien, um dort die Feiertage zu verbringen. Doch bei Robin war es
dieses Jahr etwas anders, denn er schwebte in Gefahr. Darüber machte
sich Rektor Quinn natürlich Gedanken und er überlegte angestrengt,
was er den Eltern des Teenagers sagen könnte, damit sie ihn im
Internat ließen und nicht misstrauisch wurden.
Robins Eltern wussten
nämlich nichts von seinen Fähigkeiten. Sie hatten ihn als Säugling
adoptiert und daher wuchs er nicht bei seinen leiblichen Eltern auf,
die sicherlich wohl Elementaristen waren. Als Robin die Einladung vom
Haus 4E bekam, um dort unterrichtet zu werden, teilte man seinen
Eltern mit, es handelte sich um ein Internat, das besonders
sportliche Schüler förderte. Ihr Sohn bekam hierfür ein Stipendium
und darüber freuten sie sich sehr, sodass sie ihr Kind ohne weitere
Nachfragen ziehen ließen.
Doch eigentlich gab es
keinen Grund, warum Robin nicht in den Ferien nach Hause kommen
sollte. Schließlich durften sie nicht wissen, in welcher Gefahr ihr
Sohn steckte. Daher musste eine Notlüge her.
Quinn hob den Hörer ab
und wählte die Telefonummer der Familie Held. Eine weibliche Stimme
nahm nach einigem Klingeln ab:
„Held?“
„Schönen
guten Tag, hier ist Rektor Quinn aus dem Haus 4E.“
„Guten
Tag, Herr Quinn. Ist etwas passiert?“ Frau Held klang ein wenig
erschrocken, doch der Schulleiter konnte sie schnell beruhigen:
„Nein,
nein, keine Sorge. Ich möchte nur eine Sache mit Ihnen besprechen,
was die Weihnachtsferien angeht.“
„Ach
so“, antwortete Robins Mutter nun erleichterter. „Worum geht es?“
„Robin
ist ein sehr talentierter junger Mann und deshalb wurde er für die
Vorauswahlen der Olympischen Winterspiele ausgewählt. In den Ferien
soll er daher in ein spezielles Camp fahren.“
„Tatsächlich?“,
hakte sie nach. „Eigentlich wollten wir gemeinsam in den
Ski-Urlaub. Darauf freuen wir uns das ganze Jahr über.“
„Das
verstehe ich natürlich“, entgegnete Herr Quinn. „Allerdings ist
dies eine einmalige Chance für Ihren Sohn. Und es ist außerdem eine
große Ehre.“
„In
Ordnung. Ich werde mit meinem Mann darüber sprechen und mich später
bei Ihnen melden.“
„Vielen
Dank!“
Damit legte er auf. Der
weißhaarige Schulleiter hoffte, dass Herr und Frau Held diese
Geschichte schluckten. Wenn sie es nicht erlaubten, musste er sich
etwas Neues einfallen lassen.
Robin lag auf seinem Bett
und hörte ein bisschen Musik, als eine Nachricht auf seinem Handy
eintraf. Als er sie laß, war er sehr überrascht. Sie war von seinem
Vater und darin stand:
Was für eine
großartige Chance, mein Sohn. Ich bin so stolz auf dich. Mach
deiner Familie alle Ehre und gib dein Bestes.
Er hatte keinen blassen
Schimmer, wovon sein Vater sprach. Daher antwortete er mit:
???
Es dauerte keine zwei
Minuten, als er wieder eine Antwort erhielt:
Dein Rektor hat bei
uns angerufen. Er hat uns erzählt, dass du vielleicht an den
Olympischen Spielen teilnehmen darfst.
Ungläubig laß der
Sechzehnjährige diese Nachricht ein paar Mal durch. Was hatte ihnen
sein Schulleiter da erzählt?
Sofort sprang er von
seinem Bett auf und rannte aus dem Zimmer. Er flog beinahe die
Treppen hinunter und lief über den Hof zum Verwaltungsgebäude. Als
er vor Rektor Quinns Bürotür stand, klopfte er ungeduldig an.
„Ja
bitte?“, kam es von innen.
Robin stürmte ins
Zimmer. Aufgebracht fragte er:
„Was
haben Sie meinen Eltern erzählt?“
„Oh,
du weißt es also schon“, stellte Quinn ruhig fest.
„Ich
nehme an den Olympischen Spielen teil?“
„Nein,
natürlich nicht“, erklärte der ältere Herr weiter. „Das ist
nur ein Vorwand, damit Sie in den Ferien hier im Internat bleiben
können. Sie stecken in Gefahr und wir müssen hier auf Sie Acht
geben.“
„Aber
in den Ferien habe ich Geburstag. Ich wollte diesen Tag mit meinen
Freunden und meiner Familie bei mir zuhause verbringen.“
„Das
tut mir sehr leid, Herr Held, aber Ihre Sicherheit hat Priorität.“
„Ich
kann sehr gut alleine auf mich aufpassen“, verteidigte er sich.
„Ich bin ein Elementum.“
„Ein
Elementum, das seine Fähigkeiten allerdings noch nicht vollständig
beherrschen kann“, vervollständigte Quinn.
„Das
können Sie mir nicht antun“, flehte der junge Mann.
„Es
bleibt mir leider nichts anderes übrig, so leid es mir tut. Aber ich
möchte kein Risiko eingehen. Es ist zu Ihrem Besten, glauben Sie mir
das.“
Damit war die Diskussion
beendet und Robin verließ das Büro mit heruntergezogenen Schultern.
Er war so enttäuscht und zum ersten Mal ärgerte er sich darüber,
dass ausgerechnet er ein Elementum war. Sehr gerne wäre er ein
gewöhnlicher Elementarist. Dann dürfte er trotzdem diese wunderbare
Schule besuchen, aber niemand hätte es auf ihn abgesehen und er
könnte in den Ferien nach Hause fahren.
So musste er die Zeit nun
alleine im Haus 4E verbringen. Alle anderen Schüler würden wohl
nach Hause fahren und dann wäre das Gelände menschenleer.
Er stellte sich vor, wie
er ganz allein Weihnachten und seinen Geburtstag in seinem Zimmer
verbringen würde. Seine Stimmung war im Keller.
Als er so geknickt durch
die Flure des Gebäudes der Jungenzimmer ging, traf er zufällig auf
Jojo, der ihn sofort fragte, was los wäre.
„Ich
muss über die Ferien hier bleiben und darf nicht nach Hause.“
„Was?“,
fragte der Erd-Elementarist erstaunt nach.
„Es
ist zu gefährlich, da mir ja jemand anscheinend an den Kragen will.
Daher muss ich hierbleiben.“
„Das
ist echt blöd“, kommentierte Jojo aufrichtig. „Ich habe aber
eine Idee. Ich bleibe auch hier mit dir.“
Robin schaut seinem
Kumpel erstaunt in die Augen.
„Meinst
du das ernst?“
„Natürlich.
Ganz alleine ist es hier doch viel zu öde. Ich lasse doch meine
Freunde nicht im Stich.“
Damit hatte das Elementum
nicht gerechnet. Voller Freude warf er sich seinem Kumpel um den
Hals.
„Danke!
Danke! Danke! Danke!“, rief er.
„Hey,
du erdrückst mich.“
Das war natürlich nur
als Scherz gemeint, denn den muskulösen Jugendlichen konnte so
schnell nichts umwerfen.
Robin war mehr als
erleichtert. Mit Jojo würde es ihm nicht ganz so langeweilig werden
und er konnte seinen Geburtstag zumindest ein wenig feiern.
„Ich
bleibe auch hier bei dir“, kam es plötzlich von hinten. Robin
drehte sich um und in diesem Moment war seine Stimmung auch schon
wieder hinüber. Es war Marin.
„Du?“
„Ja,
ich bleibe auch hier bei dir im Internat. Ich bin schließlich dein
Leibwächter und muss auf dich aufpassen. Übrigens sag mir das
nächste Mal Bescheid, wenn du das Zimmer verlässt, damit ich dich
begleite.“
Der Sechzehnjährige
wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte. Er war sprachlos. Nun
hätte er auch noch Marinas Bruder am Hals. Darauf hatte er gar keine
Lust. Nach einigen Momenten fing er sich wieder und sagte
schließlich:
„Willst
du mich auch jetzt immer auf die Toilette begleiten?“ Seine Stimme
klang herausfordernd. Doch Marin blieb gelassen und antwortete:
„Zumindest
werde ich mich vor der Tür postieren.“
Jojo schlug sich die Hand
auf die Stirn und Robin schüttelte verständnislos seinen Kopf.
Was machen sie bloß
hier mit mir?