Am Donnerstag kündigte
Frau Bottenberg etwas für ihre Erd-Elementaristen an: Am Wochenende
würden sie einen Campingausflug machen.
„Wir
haben Winter“, meckerte einer.
„Es
ist viel zu kalt“, unterstützte der nächste.
„Oh
nein!“, jammerte ein Dritter.
„Warum
tun wir das?“, wollte jemand wissen.
Doch die Lehrerin blieb
ruhig und erklärte:
„Es
ist wichtig, dass ihr der Erde nahe seid. Und das nicht nur im
Sommer! Gerade wenn die Erde leicht gefroren ist, ist es schwer, sie
zu kontrollieren. Auf diesem Ausflug werdet ihr die erste Lektion
lernen, mit kalter Erde umzugehen.“
Jojo war von dieser Idee
auch nicht gerade begeistert, aber er erkannte den Zweck dahinter und
daher packte er seine Tasche. Zelte und Schlafsäcke würde die
Schule zur Verfügung stellen, aber da er ja so groß und breit war,
nahm er lieber mal eine zusätzliche Decke mit.
Als sich alle
Erd-Elementaristen am Freitag nach dem Unterricht auf dem Hof
versammelten, kam auch plötzlich Robin mit einer gepackten Tasche
hinzu.
„Was
machst du denn hier?“, fragte Jojo verwundert.
„Frau
Bottenberg bat mich mitzukommen. Schließlich sei dies auch eine
perfekte Lektion für mich als Elementum. So bin ich auch da.“
„Wie
cool!“, freute sich der Erd-Elementarist. „Du bist mit mir im
Zelt. Falls es zu kalt werden sollte, heizt du uns mit deiner
Feuerkraft ein.“
Robin hob den Daumen zur
Bestätigung.
Dann fuhr auch schon ein
Bus vor, der speziell geordert worden war. Mit ihm fuhren sie an den
Rand eines Waldes. Den Rest des Weges mussten sie laufen. Jeder
packte sein Zeug und marschierte los. Zum Glück hatten Robin und
Jojo eine dicke Winterjacke an, denn der Wind blies ziemlich heftig.
Zum Glück regnete es nicht, sonst wäre es noch kälter gewesen.
Nach etwa einer Stunde
Fußmarsch kamen sie an einen Weiher, der schon halb zugefroren war.
„Hier
werden wir unsere Zelte aufschlagen“, erklärte Frau Bottenberg.
Widerwillig machten sich
die Schülerinnen und Schüler an die Arbeit, ihre Zelte
aufzustellen. Das war nicht so einfach, denn es war ziemlich dunkel.
Sie mussten die Taschenlampen ihrer Smartphones zu Hilfe nehmen, um
überhaupt etwas zu sehen.
Beim Aufbauen hatten die
beiden Freunde Zeit, ein bisschen miteinander zu reden:
„Es
tut mir leid“, entschuldigte sich der Sechzehnjährige, „wie ich
mich neulich benommen habe. Ich war ein wenig eifersüchtig auf Iggy
und dich.“
„Das
habe ich gemerkt“, bestätigte der Muskelprotz.
„Aber
mir geht es echt gerade nicht so gut. Nun sprechen Marina und Iggy
beide nicht mit mir. Das ist die Hölle.“
„Das
kann ich mir denken. In die eine bist du verliebt und der andere ist
eigentlich dein bester Freund.“
„Iggy
hat sogar ein neues Zimmer beantragt. Was soll ich nur tun?“
„Da
kann ich dir leider auch nicht wirklich helfen. Ich könnte höchstens
mal mit ihm sprechen.“
„Würdest
du das wirklich?“, hakte Robin hoffnungsvoll nach.
„Versprechen
kann ich dir nichts, aber ich kann es probieren.“
„Das
wäre supernett von dir.“
Als alles einigermaßen
stand, wurde es Zeit ein kleines Lagerfeuer zu machen. Da das Holz
aber sehr feucht war, nahm Frau Bottenberg Robins Hilfe dankbar in
Anspruch. So sorgte das junge Elementum für ein wenig Wärme.
„Und
wann beginnt die Lektion?“, wollte einer der Schüler wissen. Es
war ja nämlich schon Abend und irgendwann wollten sie schlafen.
„Die
Nacht hier wird eure Lektion sein. Wir werden keine besondere Übung
machen. Ihr werdet nur merken, dass es sehr kalt sein wird und ihr
müsst irgendetwas tun, um die Erde etwas zu erwärmen.“
Alle
schauten sich gegenseitig erstaunt an. Robin grinste bei diesen
Erklärungen, was der Lehrerin natürlich auffiel. Daher sagte sie
noch weiter:
„Und
Herr Held, Sie würde ich darum bitten, ihre anderen elementaren
Fähigkeiten heute Nacht nicht einzusetzen. Sonst ergibt dieser
Ausflug für Sie keinen Sinn.“
Schon verging ihm das
Grinsen und er nickte seufzend. Damit musste er wohl darauf
verzichten, das Zelt mit seinem Feuer einzuheizen.
Schließlich war es Zeit,
in den Schlafsack zu gehen. Die Nacht brach an. Alle schlotterten vor
Kälte und taten ihren Unmut freien Lauf.
Am äußersten Rand des
Lagers hatten Robin und Jojo ihr Zelt aufgeschlagen. Es war am
nächsten zum Weiher und am weitesten entfernt von der Lehrerin.
Daher hatte der Sechzehnjährige eine Idee:
„Ich
könnte das Zelt trotzdem ein wenig aufheizen. Frau Bottenberg würde
das gar nicht merken.“
Doch Jojo war zu
gewissenhaft in dieser Hinsicht:
„Das
sollten wir lieber bleiben lassen. Ich möchte tatsächlich etwas
lernen, was für dich auch wichtig sein sollte. Du bist beim
Praxisschwerpunkt nie dabei und daher liegst du beim Element Erde
immer weiter zurück als die anderen.“
„Du
hast ja recht“, bestätigte das Elementum seufzend. „Aber es ist
so bitterkalt.“
„Das
Zelt wird sich schon allein durch unsere Körperwärme ein wenig
aufheizen. Zudem sind die Schlafsäcke echt gut isoliert.“
Nach einer Weile war
Robin tatsächlich eingeschlafen. Doch Jojo kriegte kein Auge zu. Ihm
war der Boden zu hart und alles doch ein bisschen zu kalt. Er passte
kaum in den Schlafsack und sein halber Oberkörper lag außerhalb.
Zwar hatte er seine Decke übergeworfen, aber er fror trotzdem.
Irgendwann konnte er
nicht mehr. Er legte seine Hand auf den steinharten Erdboden. Trotz
der dünnen Zeltschicht konnte er die Erde darunter spüren. Er
schloss die Augen und konzentrierte sich. Da fing die Erde unter ihm
leicht zu vibrieren an. Irgendwie wurde sie dadurch lockerer und war
nicht mehr so hart. Es fühlte sich ein wenig an, als würde er nun
auf einem Sandhaufen liegen. Viel weicher. Das half ihm ein wenig.
Plötzlich hörte er ein
Rascheln.
Das muss der Wind
sein,
dachte er sich.
Dann war da ein Stampfen.
Robin schreckte auf:
„Was
ist das?“, schnaufte er.
„Keine
Ahnung“, antwortete Jojo.
Und dann gab es ein
lautes Spritzgeräusch, als ob jemand ins Wasser gesprungen wäre.
„Ist
da etwa jemand schwimmen gegangen?“, fragte Robin verwundert.
„Derjenige
muss ja ganz schön wahnsinnig sein“, entgegnete der muskulöse
Elementarist.
„Lass
uns nachsehen!“
Sie zogen den
Reißverschluss des Zeltes herunter und traten in die Nacht hinaus.
Es war stockfinster, da der Mond von den Wolken verdeckt wurde.
Scheinbar schliefen alle um sie herum und hatten die Geräusche nicht
wahrgenommen.
Die beiden Jungs holten
ihr Smartphone hervor und schalteten die Taschenlampen ein. Die Zelte
waren alle unberührt. Dann leuchteten sie auf den Weiher und
tatsächlich war keine Eisschicht mehr auf ihm zu sehen.
„Das
Eis ist weg“, stellte Robin fest. „Dabei ist es doch jetzt am
kühlsten.“
Die beiden schauten sich
misstrauisch an. Irgendetwas stimmte nicht. Und da erschien plötzlich
ein riesiger Wasserstrudel vor ihnen.
„Was
ist das?“, schrie Robin los. Und damit weckten sie ihre
Schulkameraden, die an den Zelten herumfingerten. Doch irgendwie
konnten sie die Reißverschlüsse nicht öffnen.
„Hey!“,
schrie es von allen Seiten.
„Ich
kriege den Reißverschluss nicht auf.“
„Was
ist hier los?“
„Hä?“,
wunderte sich der Erd-Elementarist.
Da stürzte der
Wasserschwall auf sie. Mit einem Satz sprangen sie zur Seite und ihr
eigenes Zelt wurde weggespült.
„Was
geht hier vor?“, rief plötzlich Frau Bottenberg aus ihrem Zelt.
„Soll das ein Streich sein? Holt mich hier sofort heraus!“
Jojo landete neben einem
anderen Zelt und da sah er das Dilemma: Jemand hatte die
Reißverschlüsse eingeleimt. Sie waren völlig verklebt.
Als der Wasserstrudel
abgelaufen war, erblickten die beiden Jungs eine dunkle Gestalt, die
scheinbar auf dem Wasser des Weihers stand. Sie war völlig vermummt
und daher konnten sie nicht erkennen, wer es war. Doch Robin war sich
ganz sicher:
„Du
schon wieder!“, rief er.
„Weißt
du, wer das ist?“, wollte Jojo wissen, der nun mittlerweile wieder
neben seinem Freund stand.
„Dieser
Kerl hatte mich in Berlin angegriffen. Und wahrscheinlich war er es
auch, der am Eisernen Steg auf Aria und mich losgegangen war.“
In diesem Moment baute
sich eine riesige Welle hinter dem vermummten Kerl auf.
„Ach
du meine Güte“, schrie Jojo. „Schnell weg!“
Mit langen Schritten
rannten die beiden davon. Die Welle strömte ihnen hinterher. Zum
Glück reagierten sie blitzschnell. Sie rannten in den Wald, um die
Welle weg von ihren Mitschülern zu lotsen. Wenn sie auf die Zelte
eingeprasselt wäre, wäre vielleicht jemand ertrunken.
Da es stockfinster war,
wussten sie nicht, wohin sie rannten. Mit ihrer Taschenlampe konnten
sie gerade nur so viel vor sich sehen, dass sie nicht in den nächsten
Baum rannten. Die Welle war stets dicht hinter ihnen.
Irgendwann drehte sich
Robin schlagartig um und hob seine Arme. Mit einer kurzen Bewegung
lenkte er die Welle um und sie entlud sich seitlich von ihnen.
„Gut
gemacht!“, lobte Jojo.
Doch da erschien der
Vermummte wieder hinter einem Baum. Er erschuf einen Wasserstrahl,
der sich in Sekunden in einen Speer aus Eis verwandelte.
„Was
macht er da?“, fragte Robin entetzt.
Und da flog der Speer
schon auf sie zu. Beide sprangen zur Seite und der Speer landete in
einem Baum.
„Renn!“,
rief Jojo und beide rannten wieder los.
So schnell sie konnten
wichen sie den Bäumen aus. Robin stolperte über einen Ast und wäre
beinahe gestolpert. Doch Jojo fing ihn auf und stützte ihn. Da
erschuf er eine Erdwand hinter sich, die ihren Verfolger für einen
Moment abhalten sollte. Dann liefen sie weiter.
Einen Moment später
erblickten sie eine Hütte mitten im Wald.
„Schnell
da rein!“, befahl Jojo.
„Aber
dann sind wir in der Falle“, widersprach Robin.
„Vertrau
mir!“
Die Tür war versperrt.
Der Erd-Elementarist warf sich mit der Schulter gegen die Tür,
sodass sie aufsprang. Schnell sprangen sie hinein.
„Und
jetzt?“, wollte Robin aufgeregt wissen.
Jojo stellte sich hinter
die verschlossene Tür. Er hob seine Arme, schloss seine Augen und
konzentrierte sich. Plötzlich gab es ein Erdbeben. Robin schaute
sich verwirrt um und sah, wie sich vor den Fenstern eine Wand aus
Erde erhob.
„Wow“,
kommentierte er es.
Nach einigen Momenten war
wieder alles ruhig.
„Das
sollte unseren Verfolger abhalten, hier herein zu kommen“, erklärte
der Muskelprotz. „Die Hütte ist von einem Erdwall umgeben.“
„Meinst
du nicht, er kann sich mit seinen Kräften dadurch graben?“
„Vielleicht
schon. Aber dann muss er ein bisschen Zeit aufwenden. Bis er bei uns
ist, wird er vielleicht entdeckt. Das kann er sich nicht leisten.“
Ob er Recht behielt,
würde sich bald zeigen.
Aber nun hatten sie etwas
Zeit gewonnen und da schauten sie sich um. Mit ihren Taschenlampen
leuchteten sie alles ab. Die Hütte musste schon einige Zeit leer
stehen. In einer Ecke lagen nur ein paar Schaufeln und Rechen. Der
Boden war staubig und überall lagen leere Bierflaschen und
Verpackungsmüll herum. Hier hatten wohl früher Förster ein paar
Geräte abgestellt, aber nun wurde er nicht mehr genutzt. Im Sommer
schlief hier bestimmt der ein oder andere Obdachlose. Oder
Jugendliche feierten hier ein kleine Sauforgie. Doch im Winter war es
viel zu kalt.
„Echt
unheimlich“, sagte Robin irgendwann.
„Lass
uns da irgendwo hinsetzen“, forderte Jojo seinen Kumpel auf.
Sie setzten sich auf den
Boden und lehnten sich gegen eine Wand.
„Mein
Akku ist bald leer“, sagte das Elementum irgendwann.
„Meiner
auch“, bestätigte Jojo. „Vielleicht solltest du doch ein kleines
Feuer machen, damit wir zum einen gewärmt werden und zum anderen
etwas Licht haben.“
„Ich
dachte, ich solle meine anderen elementaren Kräfte heute Nacht nicht
einsetzen“, scherzte der Sechzehnjährige halbherzig.
„Dass
du jetzt noch Witze machen kannst“, kommentierte Jojo mit einem
leichten Lächeln.
Beide schalteten ihre
Taschenlampen ab und Robin erzeugte einen Feuerball in seiner Hand,
der ein wenig Licht spendete.
„Jetzt
darf ich bloß nicht einnicken, sonst steht die Hütte in Flammen.“
„Wir
müssen uns sowieso wachhalten, falls unser Verfolger sich doch durch
die Wand kämpft.“
„Das
kann ja eine super Nacht werden“, erwiderte Robin seufzend.