„Was
ist eigentlich schon wieder los?“ Robin saß auf seinem Bett und
schaute auf den Rücken seines Zimmergenossen, der mal wieder am
Schreibtisch hockte und ihn total ignorierte. Das ging nun schon ein
paar Tage so und Robin wusste wirklich nicht, wieso.
Das Elementum wartete auf
eine Reaktion seines eigentlich besten Freundes, doch dieser blieb
einfach stumm.
„Uff“,
schnaufte Robin. „Was habe ich schon wieder gemacht? Wenn du es mir
wenigstens erklären würdest, dann könnte ich mich entschuldigen.
Aber so geht das nicht. Komm schon! Wir sind doch beste Freunde.“
Bei diesem Satz drehte
sich Iggy nun doch um. Er schaute Robin mit heruntergezogenen
Augenbrauen mürrisch an.
„Beste
Freunde?“
„Ja,
das sind wir doch. Oder?“, fragte der Sechzehnjährige unsicher
nach.
„Wenn
wir beste Freunde wären, würdest du nicht Mist über mich
herumerzählen!“
„Was?“
Robin war völlig perplex. Er wusste nicht, was er meinte. „Ich
verstehe nicht...“
„Du
hast Jojo erzählt, ich würde auf Jungs stehen.“
Nun wusste Robin
Bescheid. Sofort hatte er ein schlechtes Gewissen.
„Es
tut mir echt leid. Das war blöd von mir. Du solltest es selbst
erzählen, wenn du soweit bist.“
„Robin!“,
brüllte Iggy plötzlich. „Was fällt dir eigentlich ein?“ Der
Rotschopf sprang wütend vom Stuhl und ballte die Fäuste.
„Entschuldigung!
Echt!“
„Du
bist so ein Idiot“, schrie der Feuer-Elementarist weiter. „Was
erzählst du anderen Leuten? Ich bin mir selbst nicht darüber klar,
was mit mir ist und du erzählst einfach, ich sei schwul.“
„Das
ist echt mies von mir gewesen. Ich habe nicht darüber nachgedacht.
Es tut mir echt leid. Aber Jojo hat cool reagiert.“
„Das
ist nicht dein Ernst, oder?“
Robin wusste nicht, was
er sagen sollte. Anscheinend war alles blöd, was er von sich gab.
Daher blieb er einfach stumm.
„Es
reicht mir, Robin. Ich habe es satt. Es ist endgültig vorbei. Ich
beende unsere Freundschaft.“
„Aber
es tut mir wirklich leid“, versuchte er es nun doch noch einmal.
„Ich werde es nie wieder tun. Versprochen! Wir sind schließlich
auch Zimmergenossen und ich will nicht mit dir streiten.“
„Mach
dir keine Sorgen. Das wird sich ändern. Ich habe bei der
Schulleitung ein neues Zimmer beantragt. Bald sind wir keine
Zimmergenossen mehr.“
Robin erschrak. Damit
hatte er niemals gerechnet. Bevor er noch etwas sagen konnte,
verschwand Iggy aus dem Zimmer und ließ seinen Noch-Zimmergenossen
alleine zurück. Kurz überlegte der Sechzehnjährige, ihm hinterher
zu laufen, doch schließlich befand er, dass es wohl keinen Sinn
ergeben würde. Dieses Mal war er tatsächlich zu weit gegangen. Er
hatte es komplett verbockt. Nach Marina hatte er nun den zweiten
Freund vergrault. Tolle Quote.
„Es
ist total nett von dir, dass du mich begleitest“, freute sich Aria.
Sie bat Marina darum, mit ihr in die Stadt zu gehen, um ein
Wichtelgeschenk für Robin zu kaufen. Sie wollte etwas Besonderes für
ihn und dazu brauchte sie Marinas Hilfe. Die Wasser-Elementaristin
wollte zwar nicht, aber sie ließ sich überreden. Ihr fiel keine
passende Ausrede ein. Und so fanden sich beide auf der Zeil wieder.
„Hast
du denn schon eine Idee?“, fragte Marina.
„Ehrlich
gesagt nicht. Ich will nichts Gewöhnliches wie eine DVD oder CD.
Andererseits ist das festgelegte Budget nicht sehr hoch. Da bleibt
nicht viel Auswahl.“
Marina nickte zustimmend.
Sie würde sich nicht so viele Gedanken machen. Sie wollte ihrem
Wichtelkind einfach einen Gutschein einer Parfümerie holen. Das war
schnell erledigt.
Die Einkaufsstraße war
vollkommen überfüllt. Schließlich war es Samstag und da war immer
viel los, obwohl es sehr kalt war und es nieselte. Die beiden Mädchen
eilten schnell ins Einkaufszentrum. Dort gab es viele Geschäfte und
überall suchten sie nach einem passenden Geschenk für das
Elementum. Doch das war nicht so leicht.
Irgendwann standen sie
vor einem Schuhladen mit teuren Sportschuhen.
„Ja,
diese würden ihm gefallen“, bestätigte Aria, „aber sie sind
einfach viel tu teuer.“
So zogen sie weiter und
bummelten durch das ganze Gebäude. Irgendwann waren sie in jedem
Stockwerk, doch nirgendwo fanden sie etwas. Zum Schluss hatten sie
fast aufgegeben, doch dann waren sie vor einem Laden mit Fanartikeln
verschiedener Serien und Filme. Dort gab es unter anderem Figuren von
Superhelden, T-Shirts von Comedy-Serien oder Tassen von
Fantasy-Filmen.
„Das
hier ist nur etwas für Nerds“, kommentierte Aria, als sich Marina
die Artikel anschaute.
Irgendwann blieb sie vor
einer Kette stehen. Es war ein Artikel aus den Harry-Potter-Filmen:
Der Zeitumkehrer. Das war ein kleine Sanduhr an einer langen Kette.
Marina dachte sich, dass
dies das perfekte Geschenk für Robin wäre. Im Film nutzt Hermine
diese Kette, um in die Vergangenheit zu reisen, damit sie ihre
zusätzlichen Unterrichtsstunden besuchen konnte. Auch Robin hätte
dies gut gebrauchen können, damit er die Praxisstunden in allen
Elementen besuchen konnte. Am liebsten hätte sie ihm das gekauft. Es
wäre das perfekte Geschenk, weil es eine passende Symbolik enthielt.
„Oh
das ist aber hübsch“, meldete sich Aria von der Seite. „Ich
wusste garnicht, dass es in so einem Laden so hübschen Schmuck
gibt.“
Marina ging darauf nicht
ein. Stattdessen wollte sie weiterlaufen.
„Warte
doch mal!“, rief sie die Luft-Elementaristin zurück. „Mag Robin
Harry Potter?“
„Wer
mag das denn nicht?“, entgegnete die Wasser-Elementaristin mit
einer Gegenfrage.
„Also
ich habe weder die Bücher gelesen noch die Filme geschaut. Deshalb
kenne ich das gar nicht. Aber es ist hübsch. Ich glaube, ich kaufe
ihm das.“
Marina fiel von den
Socken. Jetzt würde Aria die Kette kaufen, ohne die Symbolik
dahinter zu verstehen. Das konnte sie kaum glauben. Es war ein
Dilemma, dass sie es nicht für Robin kaufen durfte. Jetzt würde
Aria ihm ein derart schönes Geschenk machen, dass er sich vielleicht
doch in sie verliebte und Marina völlig vergaß. Doch nun hatte das
Mädchen keine Wahl. Sie musste wohl oder übel mitansehen, wie Aria
es ihm überreichte. Also war auch dieser Tag für sie ihm Eimer.
Jojos Zimmergenosse war
mit Freunden unterwegs. Diese Zeit nutzte der Erd-Elementarist gerne,
um seinem Kraftsport nachzukommen. Unter seinem Bett holte er hierfür
einige unterschiedlich schwere Hanteln hervor. Dann vollzog er seine
Übungen auf dem Boden. Gerne hätte er, dass es einen Kraftraum im
Haus 4E gab, doch sein Wunsch würde wohl nie in Erfüllung gehen.
Daher machte Not erfinderisch. Demnächst hatte er zusätzlich vor,
sich in einem Fitnessstudio anzumelden. Er wartete nur auf ein
passendes Angebot. Bis dahin fand er sich mit seinem Training in
seinem Zimmer ab.
Da klopfte es plötzlich
an der Tür. Jojo wunderte sich, da er keinen Besuch erwartete. Aber
er dachte, dass es sich wahrscheinlich um jemanden aus seinem Zirkel
handelte. Vielleicht war es Iggy oder Robin. Er stand auf, schnappte
sich sein Handtuch und wischte sich grob den Schweiß von der Stirn.
Dann legte er sich das Handtuch über die nackten Schultern.
Als er die Tür öffnete,
war er völlig überrascht. Peter stand vor ihm mit einer weißen
Orchidee in der Hand.
„Hallo
Joris“, begrüßte er den Muskelprotz und bewunderte dabei
anzüglich seinen Körper. „Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.“
Er drückte ihm den Topf in die Hand.
„Äh...
äh...“, stotterte Jojo.
„Nichts
zu danken.“ Peter quetschte sich an Jojo vorbei und betrat das
Zimmer. „Störe ich dich?“
„Ich
bin gerade am Trainieren.“
„Das
riecht man“, lachte der dunkelhaarige Junge fröhlich los.
Jojo stieg nicht darauf
ein. Ihm war der Besuch unangenehm. Er stellte die Pflanze auf seinem
Schreibtisch ab.
„Gefällt
sie dir?“, wollte Peter wissen.
„Wie
bitte?“, hakte Jojo unsicher nach.
„Die
Orchidee? Gefällt sie dir.“
„Äh...
ja schon“, antwortete der muskulöse Elementarist zögerlich.
„Wusstest
du, dass die Orchidee die Bewunderung über die Schönheit
ausdrückt?“
„Öh...
nö“, gab Jojo schüchtern zurück. Ganz verlegen stand er
immernoch an seinem Schreibtisch.
„Außerdem
steht sie für Sehnsucht, Leidenschaft und Fruchtbarkeit.“
„Aha“,
erwiderte Jojo zaghaft.
„Deshalb
dachte ich, das sei das perfekte Geschenk für dich.“ Bei diesen
Worten sah er ihn erneut anzüglich an. Das brachte Jojo nun völlig
zum Erröten. Er wusste garnicht, wie er darauf reagieren sollte.
Peter sprach einfach weiter:
„Leider
habe ich dich nicht beim Wichteln gezogen, sonst hätte ich bis dahin
gewartet. Aber so ist es vielleicht sogar besser. In der Klasse muss
ja niemand mitbekommen, was zwischen uns läuft.“
„Wie
bitte?“ Nun war der große Erd-Elementarist völlig irritiert.
„Ich
weiß, warum du neulich bei mir warst. Du bist zwar plötzlich
abgehauen, aber irgendwie stehe ich auf schüchterne Jungs. Vor
allem, wenn sie noch so gut aussehen wie du.“
Nun war es raus und Jojo
hätte am liebsten erneut die Flucht ergriffen. Ihm war es total
unangenehm und als er Peters Blicke erneut bemerkte und ihm wieder
einfiel, dass er oberkörperfrei vor ihm stand, warf er sich schnell
das Handtuch über die Brust. Er wollte so viel wie möglich
verhüllen.
„Wollen
wir vielleicht mal miteinander ausgehen?“, fragte Peter nun ohne
Umschweife.
„Äh...“,
begann Jojo, „verstehe mich jetzt nicht falsch, aber das ist ein
Missverständnis. Ich stehe auf Frauen. Du hast da etwas
missverstanden.“
„Du
musst dich nicht vor mir verleugnen. Ich weiß, wie es ist und werde
deshalb niemandem etwas verraten. Du musst vor mir nichts
vorspielen.“
„Das
mache ich doch gar nicht“, versuchte sich Jojo nun zu verteidigen.
„Wirklich nicht.“
„Also
gut“, gab Peter nun zurück. „Dann gehe ich jetzt wieder. Aber
wenn du soweit bist, melde dich bei mir.“ Der gutaussehende
Besucher stand auf, zwinkerte Jojo zum Abschied zu und verließ den
Raum.
Währendessen bekam Jojo
einen schlimmeren Schweißausbruch, als er ihn beim Training bekommen
hatte. Sein Plan war vollständig nach hinten losgegangen.