[Elementum 2] Stille Wasser - Kapitel 15

Was ist eigentlich schon wieder los?“ Robin saß auf seinem Bett und schaute auf den Rücken seines Zimmergenossen, der mal wieder am Schreibtisch hockte und ihn total ignorierte. Das ging nun schon ein paar Tage so und Robin wusste wirklich nicht, wieso.
Das Elementum wartete auf eine Reaktion seines eigentlich besten Freundes, doch dieser blieb einfach stumm.
Uff“, schnaufte Robin. „Was habe ich schon wieder gemacht? Wenn du es mir wenigstens erklären würdest, dann könnte ich mich entschuldigen. Aber so geht das nicht. Komm schon! Wir sind doch beste Freunde.“
Bei diesem Satz drehte sich Iggy nun doch um. Er schaute Robin mit heruntergezogenen Augenbrauen mürrisch an.
Beste Freunde?“
Ja, das sind wir doch. Oder?“, fragte der Sechzehnjährige unsicher nach.
Wenn wir beste Freunde wären, würdest du nicht Mist über mich herumerzählen!“
Was?“ Robin war völlig perplex. Er wusste nicht, was er meinte. „Ich verstehe nicht...“
Du hast Jojo erzählt, ich würde auf Jungs stehen.“
Nun wusste Robin Bescheid. Sofort hatte er ein schlechtes Gewissen.
Es tut mir echt leid. Das war blöd von mir. Du solltest es selbst erzählen, wenn du soweit bist.“
Robin!“, brüllte Iggy plötzlich. „Was fällt dir eigentlich ein?“ Der Rotschopf sprang wütend vom Stuhl und ballte die Fäuste.
Entschuldigung! Echt!“

Du bist so ein Idiot“, schrie der Feuer-Elementarist weiter. „Was erzählst du anderen Leuten? Ich bin mir selbst nicht darüber klar, was mit mir ist und du erzählst einfach, ich sei schwul.“
Das ist echt mies von mir gewesen. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Es tut mir echt leid. Aber Jojo hat cool reagiert.“
Das ist nicht dein Ernst, oder?“
Robin wusste nicht, was er sagen sollte. Anscheinend war alles blöd, was er von sich gab. Daher blieb er einfach stumm.
Es reicht mir, Robin. Ich habe es satt. Es ist endgültig vorbei. Ich beende unsere Freundschaft.“
Aber es tut mir wirklich leid“, versuchte er es nun doch noch einmal. „Ich werde es nie wieder tun. Versprochen! Wir sind schließlich auch Zimmergenossen und ich will nicht mit dir streiten.“
Mach dir keine Sorgen. Das wird sich ändern. Ich habe bei der Schulleitung ein neues Zimmer beantragt. Bald sind wir keine Zimmergenossen mehr.“
Robin erschrak. Damit hatte er niemals gerechnet. Bevor er noch etwas sagen konnte, verschwand Iggy aus dem Zimmer und ließ seinen Noch-Zimmergenossen alleine zurück. Kurz überlegte der Sechzehnjährige, ihm hinterher zu laufen, doch schließlich befand er, dass es wohl keinen Sinn ergeben würde. Dieses Mal war er tatsächlich zu weit gegangen. Er hatte es komplett verbockt. Nach Marina hatte er nun den zweiten Freund vergrault. Tolle Quote.

Es ist total nett von dir, dass du mich begleitest“, freute sich Aria. Sie bat Marina darum, mit ihr in die Stadt zu gehen, um ein Wichtelgeschenk für Robin zu kaufen. Sie wollte etwas Besonderes für ihn und dazu brauchte sie Marinas Hilfe. Die Wasser-Elementaristin wollte zwar nicht, aber sie ließ sich überreden. Ihr fiel keine passende Ausrede ein. Und so fanden sich beide auf der Zeil wieder.
Hast du denn schon eine Idee?“, fragte Marina.
Ehrlich gesagt nicht. Ich will nichts Gewöhnliches wie eine DVD oder CD. Andererseits ist das festgelegte Budget nicht sehr hoch. Da bleibt nicht viel Auswahl.“
Marina nickte zustimmend. Sie würde sich nicht so viele Gedanken machen. Sie wollte ihrem Wichtelkind einfach einen Gutschein einer Parfümerie holen. Das war schnell erledigt.
Die Einkaufsstraße war vollkommen überfüllt. Schließlich war es Samstag und da war immer viel los, obwohl es sehr kalt war und es nieselte. Die beiden Mädchen eilten schnell ins Einkaufszentrum. Dort gab es viele Geschäfte und überall suchten sie nach einem passenden Geschenk für das Elementum. Doch das war nicht so leicht.
Irgendwann standen sie vor einem Schuhladen mit teuren Sportschuhen.
Ja, diese würden ihm gefallen“, bestätigte Aria, „aber sie sind einfach viel tu teuer.“
So zogen sie weiter und bummelten durch das ganze Gebäude. Irgendwann waren sie in jedem Stockwerk, doch nirgendwo fanden sie etwas. Zum Schluss hatten sie fast aufgegeben, doch dann waren sie vor einem Laden mit Fanartikeln verschiedener Serien und Filme. Dort gab es unter anderem Figuren von Superhelden, T-Shirts von Comedy-Serien oder Tassen von Fantasy-Filmen.
Das hier ist nur etwas für Nerds“, kommentierte Aria, als sich Marina die Artikel anschaute.
Irgendwann blieb sie vor einer Kette stehen. Es war ein Artikel aus den Harry-Potter-Filmen: Der Zeitumkehrer. Das war ein kleine Sanduhr an einer langen Kette.
Marina dachte sich, dass dies das perfekte Geschenk für Robin wäre. Im Film nutzt Hermine diese Kette, um in die Vergangenheit zu reisen, damit sie ihre zusätzlichen Unterrichtsstunden besuchen konnte. Auch Robin hätte dies gut gebrauchen können, damit er die Praxisstunden in allen Elementen besuchen konnte. Am liebsten hätte sie ihm das gekauft. Es wäre das perfekte Geschenk, weil es eine passende Symbolik enthielt.
Oh das ist aber hübsch“, meldete sich Aria von der Seite. „Ich wusste garnicht, dass es in so einem Laden so hübschen Schmuck gibt.“
Marina ging darauf nicht ein. Stattdessen wollte sie weiterlaufen.
Warte doch mal!“, rief sie die Luft-Elementaristin zurück. „Mag Robin Harry Potter?“
Wer mag das denn nicht?“, entgegnete die Wasser-Elementaristin mit einer Gegenfrage.
Also ich habe weder die Bücher gelesen noch die Filme geschaut. Deshalb kenne ich das gar nicht. Aber es ist hübsch. Ich glaube, ich kaufe ihm das.“
Marina fiel von den Socken. Jetzt würde Aria die Kette kaufen, ohne die Symbolik dahinter zu verstehen. Das konnte sie kaum glauben. Es war ein Dilemma, dass sie es nicht für Robin kaufen durfte. Jetzt würde Aria ihm ein derart schönes Geschenk machen, dass er sich vielleicht doch in sie verliebte und Marina völlig vergaß. Doch nun hatte das Mädchen keine Wahl. Sie musste wohl oder übel mitansehen, wie Aria es ihm überreichte. Also war auch dieser Tag für sie ihm Eimer.

Jojos Zimmergenosse war mit Freunden unterwegs. Diese Zeit nutzte der Erd-Elementarist gerne, um seinem Kraftsport nachzukommen. Unter seinem Bett holte er hierfür einige unterschiedlich schwere Hanteln hervor. Dann vollzog er seine Übungen auf dem Boden. Gerne hätte er, dass es einen Kraftraum im Haus 4E gab, doch sein Wunsch würde wohl nie in Erfüllung gehen. Daher machte Not erfinderisch. Demnächst hatte er zusätzlich vor, sich in einem Fitnessstudio anzumelden. Er wartete nur auf ein passendes Angebot. Bis dahin fand er sich mit seinem Training in seinem Zimmer ab.
Da klopfte es plötzlich an der Tür. Jojo wunderte sich, da er keinen Besuch erwartete. Aber er dachte, dass es sich wahrscheinlich um jemanden aus seinem Zirkel handelte. Vielleicht war es Iggy oder Robin. Er stand auf, schnappte sich sein Handtuch und wischte sich grob den Schweiß von der Stirn. Dann legte er sich das Handtuch über die nackten Schultern.
Als er die Tür öffnete, war er völlig überrascht. Peter stand vor ihm mit einer weißen Orchidee in der Hand.
Hallo Joris“, begrüßte er den Muskelprotz und bewunderte dabei anzüglich seinen Körper. „Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.“ Er drückte ihm den Topf in die Hand.
Äh... äh...“, stotterte Jojo.
Nichts zu danken.“ Peter quetschte sich an Jojo vorbei und betrat das Zimmer. „Störe ich dich?“
Ich bin gerade am Trainieren.“
Das riecht man“, lachte der dunkelhaarige Junge fröhlich los.
Jojo stieg nicht darauf ein. Ihm war der Besuch unangenehm. Er stellte die Pflanze auf seinem Schreibtisch ab.
Gefällt sie dir?“, wollte Peter wissen.
Wie bitte?“, hakte Jojo unsicher nach.
Die Orchidee? Gefällt sie dir.“
Äh... ja schon“, antwortete der muskulöse Elementarist zögerlich.
Wusstest du, dass die Orchidee die Bewunderung über die Schönheit ausdrückt?“
Öh... nö“, gab Jojo schüchtern zurück. Ganz verlegen stand er immernoch an seinem Schreibtisch.
Außerdem steht sie für Sehnsucht, Leidenschaft und Fruchtbarkeit.“
Aha“, erwiderte Jojo zaghaft.
Deshalb dachte ich, das sei das perfekte Geschenk für dich.“ Bei diesen Worten sah er ihn erneut anzüglich an. Das brachte Jojo nun völlig zum Erröten. Er wusste garnicht, wie er darauf reagieren sollte. Peter sprach einfach weiter:
Leider habe ich dich nicht beim Wichteln gezogen, sonst hätte ich bis dahin gewartet. Aber so ist es vielleicht sogar besser. In der Klasse muss ja niemand mitbekommen, was zwischen uns läuft.“
Wie bitte?“ Nun war der große Erd-Elementarist völlig irritiert.
Ich weiß, warum du neulich bei mir warst. Du bist zwar plötzlich abgehauen, aber irgendwie stehe ich auf schüchterne Jungs. Vor allem, wenn sie noch so gut aussehen wie du.“
Nun war es raus und Jojo hätte am liebsten erneut die Flucht ergriffen. Ihm war es total unangenehm und als er Peters Blicke erneut bemerkte und ihm wieder einfiel, dass er oberkörperfrei vor ihm stand, warf er sich schnell das Handtuch über die Brust. Er wollte so viel wie möglich verhüllen.
Wollen wir vielleicht mal miteinander ausgehen?“, fragte Peter nun ohne Umschweife.
Äh...“, begann Jojo, „verstehe mich jetzt nicht falsch, aber das ist ein Missverständnis. Ich stehe auf Frauen. Du hast da etwas missverstanden.“
Du musst dich nicht vor mir verleugnen. Ich weiß, wie es ist und werde deshalb niemandem etwas verraten. Du musst vor mir nichts vorspielen.“
Das mache ich doch gar nicht“, versuchte sich Jojo nun zu verteidigen. „Wirklich nicht.“
Also gut“, gab Peter nun zurück. „Dann gehe ich jetzt wieder. Aber wenn du soweit bist, melde dich bei mir.“ Der gutaussehende Besucher stand auf, zwinkerte Jojo zum Abschied zu und verließ den Raum.
Währendessen bekam Jojo einen schlimmeren Schweißausbruch, als er ihn beim Training bekommen hatte. Sein Plan war vollständig nach hinten losgegangen.