Es
vergingen einige Tage und der Unterricht ging wie gewohnt weiter.
Nachmittags arbeiteten sie an ihrem Ritual, so gut es ging.
Allerdings merkte Robin, dass sein Terminkalender langsam so voll
war, dass es anstrengend wurde. Zudem fand er es schade, dass er gar
keine Zeit mehr für seine Hobbys hatte.
An
einem Sonntag schnappte er sich seine Gitarre, die schon fast
komplett eingestaubt war, und setzte sich in sein Zimmer, um ein
wenig auf ihr zu spielen. Zunächst einmal musste sie gestimmt
werden.
Iggy
ließ seinen Mitbewohner alleine, damit er nicht beim Spielen gestört
wurde. Im Internat war nämlich generell so viel Trubel, dass es
nirgendwo einen Platz gab, an dem man ungestört sein konnte. Daher
war Robin sehr erleichtert, dass er ihr gemeinsames Zimmer wenigstens
für einige Zeit für sich hatte.
Doch
dann wurde der Sechzehnjährige in seinem Spiel gestört. Es klopfte
an der Zimmertür und Robin erwartete einen seiner Freunde, weswegen
er unbedacht „Herein!“ rief. Doch dann stand sein junger Lehrer
Skye in der Tür.
„Hallo
Robin“, begrüßte er den Sechzehnjährigen. „Wie geht es dir?“
„Was
willst du von mir?“, brach es sofort etwas genervt aus dem Schüler
heraus.
„Entschuldige
bitte die Störung, aber ich wollte mal mit dir reden. Während der
Nachhilfestunden hast du dich sehr distanziert verhalten und wir
konnten kaum miteinander sprechen. Dabei dachte ich, dass wir uns
langsam wieder etwas besser verstehen würden.“
Skye
betrat nun das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Robin passte
das gar nicht und hätte ihn am liebsten rausgeschmissen. Aber der
aus Schottland stammende junge Mann war noch immer sein Lehrer, dem
er etwas Respekt zollen musste, ob er wollte oder nicht.
„Worüber
willst du denn mit mir sprechen?“
„Falls
du dich erinnerst, habe ich in Berlin von einem Zirkel gesprochen und
dir geraten, einen zu gründen. Nachdem du jetzt noch einmal in der
Sporthalle angegriffen wurdest, habe ich gehört, dass du tatsächlich
eines gründest.“
„Das
stimmt“, entgegnete Robin sachlich. „Gibt es dagegen etwas
einzuwenden?“
„Nein,
das nicht“, antwortete der junge Lehrer zögerlich. „Aber ich
habe mich gefragt, wen du nun in deinen Zirkel aufnimmst. Ich habe
eigentlich darauf gehofft, dass du auf mein Angebot zurückkommst und
mich fragst.“
Für
einen kurzen Moment war es in dem Zimmer vollkommen still. Beide
schauten sich tief in die Augen. Skye hatte seine Augenbrauen
erwartungsvoll nach oben gezogen und blickte seinen Schüler mit
einem leichten Lächeln an. Robins Blick war hingegen eisiger.
Schließlich reagierte der Sechzehnjährige etwas ungehalten:
„Ich
weiß nicht, auf welchem Planeten du lebst. Skye, du bist mein Lehrer
und damit müssen wir irgendwie auskommen. Aber falls du es nicht
begriffen hast, kann ich dich nicht ausstehen.“
Die
Mimik des jungen Lehrers erstarrte plötzlich vor Entsetzen.
„Bist
du so naiv oder tust du nur so?“, sprach Robin weiter. „Du musst
das doch gemerkt haben.“
„Ich
weiß“, entgegnete nun Skye mit einem kleinen Zittern in der
Stimme, „dass wir unsere Differenzen hatten. Aber ich dachte, die
konnten wir mittlerweile beseitigen. Ich habe mich entschuldigt und
es tut mir schrecklich leid, dass ich dir eventuell zu nahe getreten
bin.“
„Eventuell“,
unterbrach ihn der Sechzehnjährige. „Da haben wir es wieder. Du
bist mir nicht nur eventuell
zu nahe getreten, sondern ganz bestimmt. Und daher könnte ich dich
niemals in meinem Zirkel aufnehmen.“
Skye
schien nicht darauf antworten zu können. Sein Blick war völlig
perplex, als hätte er nie mit so etwas gerechnet. Robin dachte sich,
dass dieser Mensch mit seinem guten Aussehen, dem durchtrainierten
Körper und der charmanten Art wohl noch nie zurückgewiesen wurde.
Er war scheinbar der erste, der sein wirkliches Ich durchschaut
hatte. Damit hatte der junge Lehrer nicht gerechnet. Nun war er aber
damit konfrontiert worden, dass es jemanden gab, der nicht sein Fan
war.
Schließlich
hatte sich der Junglehrer gefasst und sagte:
„Vielleicht
wirst du mich wieder mögen, wenn wir uns besser kennenlernen. Wenn
ich in deinem Zirkel wäre, würde ich mir sehr viel Mühe geben,
dass wir ein gutes Team werden.“
„Nein“,
entgegnete ihm Robin unvermittelt. „Das hat keinen Sinn. Zudem ist
mein Zirkel schon komplett. Ich habe Aria Himmel für das Element
Luft aufgenommen.“
„Wie
bitte?“, hakte Skye noch einmal nach, als hätte er nicht richtig
verstanden.
„Du
hast richtig gehört. Mein Zirkel ist komplett und wir planen auch
schon unser erstes Ritual.“
Robin
konnte quasi mitansehen, wie Skye aus allen Wolken fiel. Seine Mimik
verzog sich vollkommen. Das Lächeln verschwand und stattdessen riss
er seine Augen schockiert auf.
„Aber...
aber...“, stotterte der Lehrer, „mit einem erfahrenen Lehrer wäre
der Zirkel sicherlich viel mächtiger.“
„Das
kann sein“, gab der Sechzehnjährige unbeschwert zurück, „aber
wir sind auch so schon ein sehr starkes Team.“ Er konnte sich ein
überhebliches Lächeln nicht verkneifen.
Skye
stand einige Sekunden unbeweglich im Zimmer herum, bis sich Robin
schließlich wieder seine Gitarre schnappte und damit weitermachte,
sie zu stimmen.
„Nun
gut“, sprach der Lehrer nun endlich weiter. Er hatte sich scheinbar
wieder etwas gefasst. „Dann kann ich wohl nichts mehr tun. Ich will
dich jetzt nicht mehr weiter stören.“
Ohne
eine freundliche Verabschiedung oder ein anderes Wort war der junge
Lehrer schnell aus der Tür verschwunden und Robin befand sich wieder
allein im Zimmer. Das junge Elementum empfand endlich Genugtuung. Er
fühlte sich gut dabei, es endlich diesem eingebildeten
Möchtegern-Schülerliebling gezeigt zu haben. Heute Nacht würde er
sicherlich sehr gut schlafen können.
Außerdem
war er erleichtert, nun Skye endlich verdeutlicht zu haben, dass er
ihn nicht mochte. Wahrscheinlich würde er nun in den Fächern bei
diesem Lehrer keine guten Leistungen erzielen, aber das war ihm egal.
Ihm ging dieses freundliche und einschleimende Getue höllisch auf
die Nerven. Nun musste er nicht mehr so tun, als wäre alles in
Ordnung.
Zudem
nahm sich der Schüler nun vor, Aria um Nachhilfe im Element Luft zu
bitten, damit er nicht mehr mit Skye zusammenarbeiten musste. Sie
würde sicherlich zusagen und Rektor Quinn würde es bestimmt auch
akzeptieren. Denn schließlich musste dann einer seiner Lehrer keine
Freizeit mehr für einen Schüler opfern.
In
allen Belangen war Robin nun erleichtert und froh. Es war sogar noch
mehr: Er fühlte sich befreit.