Am
nächsten Morgen war keine Zeit zum Ausschlafen. Herr Hauch hatte den
Tagesplan vollgepackt. So war es ebenfalls nicht möglich, einen
weiteren Gedanken an den unbekannten Angreifer zu verschwenden.
Doch
bevor es richtig losging, stellte sich der dicke Mann zunächst
einmal vor. Bis dahin wusste Robin ja nichts Genaues um seine Rolle.
Er hatte nur gehört, dass Hauch ein angesehener Luft-Elementarist
war.
„Wie
du bereits weißt, ist mein Name Hauch und ich gehöre zu den
stärksten Luft-Elementaristen in ganz Deutschland“, begann der
rundliche Herr seine Rede. „Bis zum letzten Schuljahr war ich der
Vorgänger deines Lehrers.“
Dem
blonden Schüler ging ein Licht auf:
„Sie
waren also Lehrer im Haus 4E und unterrichteten das Element Luft.“
„Richtig“,
bestätigte Hauch. „Doch aufgrund meines gesundheitlichen Zustandes
habe ich beschlossen, den Lehrberuf an den Nagel zu hängen.“
„Gesundheitlicher
Zustand?“, hakte Robin besorgt nach. „Sind Sie krank?“
„Seit
ein paar Jahren plagt mich leider ein krankes Herz“, erklärte der
Ex-Lehrer weiter, „und daher fiel leider immer mehr Unterricht aus,
sodass ich beschloss einen Nachfolger für mich zu suchen. Skye war
einmal einer meiner Schüler und ich wusste, dass er das Lehramt
studieren würde. Als ich ihn anrief und freudig hörte, dass er
sogar das Referendariat abgeschlossen hatte, warb ich ihn sofort für
das Internat an.“
„Ich
bin Herrn Hauch auch sehr dankbar dafür“, mischte sich der junge
Lehrer nun ein.
„Und
nach diesem Gefallen stellte nun Skye Kontakt zu mir her, damit ich
meine Kenntnisse an dich weitertrage.“
„Ich
hoffe, ich belaste Sie nicht zu sehr“, gab der Sechzehnjährige zu
bedenken.
„Ach,
mach dir mal keine Sorgen! Einen Tag werde ich durchhalten. Aber
verspreche dir mal nicht zu viel. Ein Tag ist nicht genug, um die
vollen Ausmaße deiner Fähigkeiten zu erwecken.“
„Das
ist mir klar“, bestätigte der junge Schüler freundlich. Er war
überhaupt erfreut darüber gewesen, dass sich der kranke Ex-Lehrer
die Zeit für ihn genommen hatte. Das war nicht selbstverständlich.
Und es konnte ihm nur zugute kommen, wenn er vom Lehrer seines
Lehrers lernen konnte.
Und
so begann am Morgen der anstrengende Unterricht, der den ganzen Tag
dauern sollte. Der korpulente Ex-Lehrer erklärte dem blonden Schüler
das Ziel des Tages:
„Heute
wird es darum gehen, dass du lernst, mit Hilfe des Elements Luft
Gegenstände zu bewegen.“
„Das
klingt ja wie Telepathie“, kommentierte Robin dies.
„Du
meinst wohl Telekinese“, berichtigte ihn Hauch. „Es gibt einige
Luft-Elementaristen, die gar nichts von ihrer Begabung wissen. Und
wenn sie dann etwas bewegen, denken sie, sie hätten dies allein
durch ihre Gedankenkraft geschafft. Dabei haben sie in Wirklichkeit
die Luft eingesetzt, die diese Gegenstände getragen hat.“
„Das
heißt, Telekinese oder wie das heißt gibt es nicht?“
„Genau
so ist es. Und da solche Elementaristen nichts von ihren Fähigkeiten
wissen und stattdessen annehmen, sie hätten besondere Psycho-Kräfte,
lernen sie nicht, ihr Element zu beherrschen und können die Luft
nicht so einsetzen, wie sie es gerne möchten. Dass sich Gegenstände
dann bewegen, bleibt oft nur ein Zufall für sie.“
„Das
ist aber schade.“
„Und
damit dir das nicht passiert, werde ich dir heute lehren, die Luft so
zu kontrollieren, dass du mühelos leichte Gegenstände nach deinem
Belieben bewegen kannst.“
Der
Sechzehnjährige freute sich auf die Lektion, auch wenn er zunächst
bezweifelte, dass er dies an einem Tag lernen sollte. Doch nach
vielen harten und intensiven Stunden klappte es bei ihm ganz gut.
„Du
musst natürlich stets üben, wenn du wieder im Internat bist“,
schlug der Ex-Lehrer ihm vor, als er den Lehrgang beendete. „Für
heute ist aber Schluss. Nun essen wir noch zu Abend und dann hast du
dir deine Ruhe verdient.“
Robin
bedankte sich bei dem netten Lehrer. Er war ihm weitaus sympathischer
als es ihm Skye war. Er fand es schade, dass Hauch nicht mehr im Haus
4E unterrichtete. Er hätte ihn dort lieber gesehen, als seinen
nervigen und anhänglichen Lehrer für das Element Luft. Aber er
müsste sich wohl oder übel mit Skye begnügen - auch am Abend, als
sie wieder vorm Schlafengehen allein in dem Gästezimmer waren.
Der
junge Schüler wollte eigentlich schnell schlafen, damit die Nacht
vorüber ging und er am nächsten Tag wieder ins Internat
zurückkehren konnte, wo er sich mit Iggy statt Skye ein Zimmer
teilte. Doch der Junglehrer hielt ihn noch eine Weile wach, weil er
erneut über den Vorfall mit dem unbekannten Angreifer sprechen
wollte.
„Mir
geht das einfach nicht aus dem Kopf“, begann Skye. „Woher wusste
dieser Typ, dass wir hier sein würden?“
„Keine
Ahnung“, antworte Robin kurz angebunden. Er wollte nicht darüber
nachdenken und einfach nur schlafen.
„Machst
du dir keine Sorgen? Schließlich trachtet dir anscheinend jemand
nach dem Leben.“
„Doch“,
gab der Sechzehnjährige leicht genervt zurück, „aber morgen bin
ich wieder in Frankfurt.“
„Und
was ist, wenn es sich herumspricht? Wenn schon einer davon Wind
bekommen hat, wird bald ganz Deutschland wissen, dass das Haus 4E ein
Elementum beherbergt.“
„Was
soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Du
trägst eine große Macht in dir, aber du kannst sie noch nicht
kontrollieren. Aber ich wüsste, wie du schneller deine Macht
verstärkst und dich besser schützen kannst.“
Robin
hörte nun gespannt hin. Es interessierte ihn, was ihm sein junger
Lehrer da gerade erzählen wollte.
„Die
Macht von Elementaristen kann durch ein Zirkel verstärkt werden“,
erklärte Skye.
„Was
ist ein Zirkel?“, wollte Robin wissen. Nun war er doch wacher als
er eigentlich sein wollte. Er richtete sich im Bett auf, um seinen
Lehrer besser verstehen zu können. Auch Skye richtete sich auf
seiner Luftmatratze auf und sprach weiter:
„Ein
Zirkel ist ein Zusammenschluss von normalerweise vier Elementaristen.
Jedes Mitglied beherrscht dabei ein anderes der vier Elemente. Sie
können gemeinsam Rituale durchführen, die ihre Kräfte verstärken,
aber auch insgesamt die Macht eines jeden erhöht.“
„Verstehe“,
bestätigte der blonde Schüler und wartete ab, was Skye noch zu
berichten hatte.
„Doch
ein Zirkel kann natürlich durch ein fünftes Mitglied ergänzt
werden, wenn es sich um ein Elementum handelt. Dadurch wird die Macht
des Zirkels sogar noch stärker.“
„Also
meinst du, ich solle ein Zirkel gründen. Damit würde ich stärker
werden und könnte mich besser gegen solche Angreifer schützen.“
„Richtig“,
bestätigte der gut aussehende Junglehrer. „Natürlich ist das
deine Angelegenheit. Es ist nur ein Vorschlag von mir. Vielleicht
willst du das ja machen. Du hast ja mittlerweile gute Kontakte
geknüpft. Mit Iggy und Jojo hast du jeweils einen Feuer- und
Erd-Elementaristen an deiner Seite. Ich denke, Marina könnte dich
mit dem Element Wasser unterstützen.“
So
ist das also!
Robin
wusste sofort, was nun folgen würde. Er hatte sich die ganze Zeit
gefragt, was die Absicht seines jungen Lehrers war und warum er sich
ständig so aufdrängte. Nun hatte er den Braten gerochen.
„Und
wenn du niemanden für den Posten des Luft-Elementaristen hast, dann
würde ich mich zur Verfügung stellen.“
Dieses
Aas! Dahinter war er also die ganze Zeit her.
Der
blonde Schüler spürte eine Wut in sich aufsteigen. Er hatte schon
immer geahnt, dass Skye irgendwelche Hintergedanken hatte. Nun wusste
er, dass er nur seine eigene Macht mit Hilfe des Elementums
vergrößern wollte.
„Und
was hältst du davon?“, hakte der Luft-Elementarist nach.
„Ich
muss darüber nachdenken“, antwortete der Schüler und legte sich
wieder zurück ins Bett. Er wollte seinem Lehrer nicht gleich zeigen,
wie er den Vorschlag fand. Er wollte zunächst nachdenken und ihm
nicht sofort mitteilen, dass er von den Plänen seines Lehrers
wusste.
Eine
ganze Weile lag er noch wach im Bett und dachte darüber nach, was er
über Skye herausgefunden hatte. Plötzlich kam ihm ein Verdacht:
Vielleicht
hatte er diesen Kerl engagiert, um uns anzugreifen.
Der
unbekannte Mann stürzte Skye sehr schnell zu Boden und er verlor
sofort das Bewusstsein. Später ging es ihm angeblich noch schlecht,
aber am nächsten Morgen war der Lehrer wieder vollkommen fit
gewesen. Das fand Robin ziemlich seltsam. Und nun kam auch noch der
Vorschlag mit dem Zirkel, bei dem er sich selbst als Mitglied anbot.
Das waren seiner Meinung nach gleich zwei Hinweise, die auf Skyes
tatsächliche Pläne hinwiesen.
Robin
beschloss, dies weiterhin im Auge zu behalten und das Verhalten
seines Lehrers genau zu beobachten. Natürlich würde er Skye niemals
in seinen Zirkel aufnehmen, wenn er einen gründen sollte.
Wahrscheinlich würde er darüber nicht sehr erfreut sein, aber das
würde ihm ganz recht geschehen, wie der Sechzehnjährige fand.
Mit
diesen Gedanken schlief er schließlich irgendwann ein.