Als
die neue Woche anbrach, hatte Robin erneut ein Gespräch mit Rektor
Quinn und den anderen Lehrkräften. Wieder fand er sich in dem
kleinen Konferenzraum ein, an dem alle an einem runden Tisch saßen.
Er nahm Platz und hörte sich an, was der Schulleiter zu sagen hatte.
„Wir
haben jetzt eine Lösung gefunden“, begann Quinn seine
Ausführungen. „Diese ist zwar noch immer nicht optimal, aber etwas
Besseres fiel uns nicht ein. Trotzdem müssen Sie mit dieser Lösung
einverstanden sein, sonst kann das nicht funktionieren.“
Da
bin ich mal gespannt,
dachte sich der Sechzehnjährige und hörte weiter zu.
„Wir
haben uns überlegt, dass Sie weiterhin den Feuer-Kurs von Frau Funke
besuchen. Dabei bleibt es zunächst einmal. Darüber hinaus könnten
Sie Nachhilfe in den anderen Elementen in Anspruch nehmen, der Ihnen
zumindest die Grundlagen näher bringt.“ Der Rektor räusperte
sich, bevor er fortfuhr. „Zunächst hatten wir uns überlegt, die
Praxisschwerpunkte so zu legen, dass sie alle besuchen könnten. Aber
dieses Pensum kann ich auf der einen Seite den Lehrkräften nicht
zumuten, weil dies Mehrarbeit für sie bedeuten würde. Teilweise
müsste der Unterricht dann bis zum Abendessen gehen und das ist
unmöglich. Auf der anderen Seite wäre es ebenfalls für Sie eine
immense Belastung, weil sie dann sechs Unterrichtsblöcke mit jeweils
neunzig Minuten mehr hätten. Zudem ist das widerrechtlich.“
„Verstehe“,
entgegnete Robin.
„Also
erscheint diese Nachhilfe am sinnvollsten. Dies würde dann wie eine
Art AG ablaufen, in der Sie von Schülerinnen und Schüler der
verschiedenen Elemente unterstützt werden.“
„Und
an wen dachten Sie da so?“
„Wenn
es um das Element Wasser geht, möchten wir Ihnen die äußerst
talentierte Marina Hollenbach an die Seite stellen. Sie ist ziemlich
intelligent und kann Ihnen die Grundlagen sicherlich gut erklären.
Im Fach Erde dachten wir an Ihren Freund Joris Keller, mit dem Sie
sowieso Ihre Freizeit verbringen. Auch er ist diszipliniert und
fleißig.“
„Das
klingt gut“, bestätigte der blonde Schüler. „Und was ist mit
dem Element Luft?“ Er hoffte darauf, dass er vielleicht Nachhilfe
von der hübschen Aria kriegen würde. In seinem Kopf lief bereits
ein ganzer Film ab, in dem er mit ihr zusammen Zeit verbrachte.
„Im
Falle Luft hat sich unser junger Kollege Herr Hawkins bereit erklärt,
zusätzlich kostenlos Mehrarbeit zu leisten und Ihnen
Einzelunterricht zu erteilen.“
Das
hätte ich mir denken können.
Mit
finsterer Miene blickte er zu Skye herüber, der lediglich freundlich
lächelte und damit seine strahlend weißen Zähne präsentierte. Und
wieder hatte er einen Plan ausgeheckt, wie er ihm auf die Pelle
rücken konnte. Dabei hatte er gehofft, dass er nach dem Gespräch
mit Iggy endlich eingesehen hatte, was er für einen Mist baute.
Sein
Mitbewohner erzählte ihm nämlich, dass er sich mit dem jungen
Lehrer ausgesprochen hatte. Nach dem Vorfall auf der Party wollten
sie eine nähere Beziehung seinlassen. Skye versicherte dem
Rotschopf, dass er ihn nicht verführen wollte und lediglich auf ein
freundschaftliches Verhältnis aus war. Er räumte angeblich ein,
dass das auch nicht in Ordnung war und er sich deshalb zurückzog und
sich von nun an professionell verhalten wollte.
Doch
nun hatte sich das Blatt erneut gewendet und Robin wusste, dass er
nur leere Versprechungen geäußert hatte. Oder aber sie trafen
tatsächlich nur auf Iggy zu und er würde trotzdem versuchen, ihm
näher zu kommen.
Aber
warum? Was will er bloß von mir?,
fragte sich der Elftklässler.
„Muss
das sein?“, kam es endlich aus ihm heraus.
„Wie
bitte?“, erkundigte sich der Rektor, als ob er nicht richtig gehört
hätte. „Sie finden die Idee mit den einzelnen Nachhilfestunden
nicht gut? Ist Ihnen das zu viel?“
„Nein“,
antwortete Robin. „Das meinte ich nicht. Die Idee von der Nachhilfe
ist ganz gut. Aber gibt es nicht jemand anderen, was das Element Luft
betrifft, der mir Nachhilfe erteilen könnte?“
Die
Lehrkräfte schauten den Jungen verwundert an. Sie verstanden seine
Abneigung gegen Skye Hawkins nicht. Schließlich traute sich der
Rektor, die Frage zu stellen:
„Haben
Sie etwas gegen Herrn Hawkins?“
„Nein“,
erwiderte Robin schnell. Er wollte nicht, dass der Rektor irgendeinen
Verdacht schöpfte. Schließlich hatte er Iggy versprochen, die ganze
Sache nicht zu petzen und es für sich zu behalten. So musste er wohl
oder übel nachgeben. „Es ist schon in Ordnung. Ihr Vorschlag ist
fabelhaft.“
„Wir
finden diese Lösung fürs Erste ebenso zufriedenstellend. Wenn es
Ihnen manchmal doch zu viel wird, können Sie auch die ein oder
andere zusätzliche Stunde ausfallen lassen. Sie werden sowieso nicht
alles gleich gut beherrschen können.“
„Stattdessen
haben wir uns noch etwas Zusätzliches überlegt“, warf nun
Serafina Funke ein. „In unregelmäßigen Abständen sollen sie in
einem Block besonders gefördert werden – beispielsweise an einem
Wochenende. Da erhalten Sie etwa einen ganzen Tag Unterricht von
einer der hier anwesenden Lehrkräfte oder Sie werden auf eine
besondere Schulung außerhalb des Internats geschickt.“
„Wie
bitte?“, erkundigte sich der blonde Schüler. Die letzten
Ausführungen hatte er nicht ganz verstanden.
„Es
gibt einige renommierte Elementaristen, von denen Sie sicher etwas
lernen können, auch wenn diese keine ausgebildeten Lehrkräfte sind.
Schließlich geht es bei ihren besonderen Fähigkeiten nicht um ihr
Abitur, sondern um die Entwicklung Ihrer Kräfte.“
„Was
Frau Funke Ihnen damit sagen möchte“, nahm Quinn wieder den Faden
auf, „Sie werden durch Praxis in der Realität viel schneller und
besser lernen als im Klassenzimmer.“
„Wow“,
rief der Sechzehnjährige aus. „Das klingt cool! Also ich bin damit
einverstanden. Aber eine Frage habe ich dazu noch.“
„Bitte“,
forderte ihn der Rektor auf.
„Warum
werden nicht alle Schüler auf diese Weise in ihren Elementen
unterrichtet, wenn man sich dadurch schneller und besser
weiterentwickelt.“
„Die
Antwort liegt darin, dass das ziemlich unpädagogisch ist. Sie werden
sich vielleicht teilweise in Gefahr begeben, was Eltern unter
normalen Umständen nicht erlauben würden. Ihre Eltern hingegen
wissen nicht einmal von ihren Fähigkeiten, weswegen wir diesem
umgehen würden. Darüber hinaus müssen die Persönlichkeiten, die
Sie unterrichten werden, entlohnt werden. In Ihrem Fall übernehmen
wir das, weil wir Sie gerne fördern möchten. Der ganzen
Schülerschaft können wir das nicht finanzieren.“
„Das
ist dann also exklusiv für mich.“
„So
kann man das sehen“, bestätigte der Schulleiter.
„Und
wissen Sie schon, wann ich meinen ersten Ausflug habe?“, wollte der
Schüler unbedingt wissen. Er konnte es kaum abwarten, seine Kräfte
außerhalb der Schule zu erproben und sie beherrschen zu lernen.
„Sie
haben es aber eilig“, lachte nun der alte Herr. „Wir informieren
Sie, sobald es soweit ist.“
Robin
bedankte sich für dieses Gespräch und ging letztendlich mit einem
guten Gefühl aus dem Konferenzraum, auch wenn er nun wieder
Einzelunterricht von dem schmierigen Junglehrer erhalten würde.
Diesen Gedanken verdrängte er aber erst einmal.
Er
ging schnell zu seinen beiden Freunden und erzählte ihnen alles, bis
auf die Sache mit Skye. Davon wollte er seinem Mitbewohner unter
vier Augen erzählen. Jojo und Iggy fanden die Idee mit den Ausflügen
toll und beneideten ihren Kumpel.
„Du
hast es gut“, sprach der Muskelprotz. „Dann kommst du hier auch
mal raus. Das wird sicher abenteuerlich.“
„Darauf
freue ich mich auch“, entgegnete Robin. „Aber es wird bestimmt
auch anstrengend, denn schließlich passiert das alles zusätzlich
zum normalen Unterricht, der uns ja auch so schon total in Anspruch
nimmt.“
„Ach,
das schaffst du schon“, munterte ihn Iggy auf.
Später
sprach er mit dem rothaarigen Jungen über Skye, als sie alleine in
ihrem Zimmer waren. Er versuchte Iggy davon zu überzeugen, dass der
junge Lehrer irgendeinen Hintergedanken hatte.
„Das
bildest du dir bestimmt nur ein“, spielte der Rotschopf Robins
Sorge herunter. „Vielleicht will er wirklich nur nett sein.“
„Du
nimmst ihn ja noch immer in Schutz“, regte sich der Sechzehnjährige
über seinen Freund auf. „Ich dachte, du würdest nun kapieren, was
das für einer ist. Aber du bist wie benebelt.“
„Was
soll denn das heißen?“, wollte Iggy leicht angesäuert wissen.
„Du
weißt schon, was ich meine. Du hast die rosarote Brille auf, wenn es
um diesen schmierigen Kerl geht.“
„Jetzt
gehst du zu weit, Robin!“, schrie der Rotschopf plötzlich
wutentbrannt los. „Du weißt gar nicht, was du da erzählst.“
„Pah“,
empörte sich der blonde Schüler. „Es ist eher andersherum. Du
bist dir nicht im Klaren, was das für ein Typ ist, weil du so
vernarrt in ihn bist.“
„Hör
auf damit“, warnte Iggy seinen Mitbewohner energisch.
„Dann
hör du damit auf, ihn in Schutz zu nehmen.“
„Ich
nehme niemanden in Schutz. Ich bin nur realistisch und nicht so
paranoid.“
„Realistisch?
Das bist du nicht. Du leidest unter Realitätsverlust“, schimpfte
Robin zurück.
„Das
muss ich mir nicht bieten lassen.“ Mit diesen Worten stampfte Iggy
aus dem Zimmer und schmiss die Tür hinter sich zu. Mit hochroten
Kopf blieb Robin zurück. Er war so sauer auf seinen Mitbewohner und
konnte einfach nicht verstehen, warum er nicht genauso über den
jungen Lehrer dachte wie er.
Ist
er wirklich so blöd?