Am
nächsten Tag schlief Iggy sehr lange. Robin ahnte schon, dass sein
Mitbewohner total verkatert sein würde. Aber er wollte sich trotzdem
mal ernsthaft mit ihm unterhalten, sobald er wach war.
Als
es soweit war, stöhnte Iggy die ganze Zeit:
„Mir
ist so schlecht!“
„Du
bist selbst schuld, wenn du so viel Alkohol trinkst.“
Der
Sechzehnjährige brachte seinem Freund ein Glas Wasser und setzte
sich an den Rand seines Bettes. Schließlich fragte er ihn:
„Kannst
du dich noch an alles erinnern, was gestern so passiert ist?“
Iggy
wurde knallrot im Gesicht. Er senkte schuldbewusst seinen Kopf.
„Also
einen Filmriss hast du anscheinend nicht“, fuhr Robin fort. „Was
sollte das alles? Ich verstehe es nicht.“
„Ich“,
begann der Rotschopf, „wollte doch nur Spaß haben.“
„Mit
unserem Lehrer?“
„Skye
ist lediglich ein paar Jahre älter als wir. Und er ist cool.“
„Und
er sieht gut aus“, ergänzte der blonde Schüler spottend.
„Hör
auf damit!“, forderte ihn Iggy kleinlaut auf.
„Hör
mal“, sprach das Elementum weiter, „ich finde es nicht schlimm,
wenn du auf Jungs stehst. Aber bitte nicht auf unseren Lehrer. Ich
finde es nicht richtig, was er da abzieht. Ein Lehrer sollte so etwas
nicht mit seinen Schülern tun. Das gehört sich nicht.“
„Seit
wann bist du so ein Moralapostel?“, fragte nun Iggy. „Du kannst
ihn einfach nur nicht leiden. Wenn es um eine heiße junge Lehrerin
ginge, würdest du nicht so eine Spaßbremse sein.“
Robin
wollte es nicht zugeben, aber an Iggys Worten war tatsächlich etwas
dran. Wahrscheinlich würde er tatsächlich ganz anders reagieren,
wenn es nicht um Skye Hawkins ginge. Er hatte einen Hass auf seinen
jungen Lehrer entwickelt und das war schon von Anfang an so gewesen.
Er
beschloss, die Unterredung mit seinem Mitbewohner abzubrechen. Er
nahm Iggys Hände kurz in seine und drückte sie. Dann stand er auf
und verließ das Zimmer. Bevor er komplett draußen war, drehte er
sich noch einmal um und sagte:
„Wenn
du noch etwas brauchst, sag Bescheid. Und jetzt schlafe weiter deinen
Rausch aus!“ Bei diesen Worten lächelte er seinen rothaarigen
Freund mit den Sommersprossen an. Iggy erwiderte das Lächeln. Da
schloss sich die Tür.
Robin
wollte ein wenig spazieren gehen und seine Gedanken frei bekommen.
Unten auf dem Hof begegnete er dann zu seinem Leidwesen seinem jungen
Lehrer.
„Hey,
Robin“, begrüßte er den Schüler, doch dieser wollte ihn
ignorieren und ohne Worte an ihn vorbeiziehen. Doch Skye gab nicht
auf. „Warte doch mal bitte. Lass uns noch mal reden.“
Mit
einem bösen Blick schaute er seinen jungen Lehrer an. Seine Miene
sollte ihm unmissverständlich klar machen, dass er keine Unterredung
wollte. Doch dies akzeptierte Skye nicht.
„Kommst
du kurz mit in mein Büro?“
„Ich
wollte gerade etwas spazieren gehen“, entgegnete Robin kühl.
„Gut.
Dann begleite ich dich.“
Beide
traten durch das Tor hinaus auf die Straße und liefen ein paar
Meter, bis sie einen angrenzenden Park erreichten. Der
Sechzehnjährige blickte stur geradeaus, ohne seinen Lehrer eines
Blickes zu würdigen.
„Mir
tut es echt leid. Ich meine... heute Nacht. Irgendwie ist es aus dem
Ruder gelaufen. Ich dachte, wir könnten ein wenig Spaß haben.“
„Wir
sind deine Schüler“, erinnerte ihn Robin mit ernster Stimme.
„Ich
weiß. Aber für mich ist das auch neu. So lange bin ich noch kein
Lehrer und ich fühle mich auch noch recht jung. Wahrscheinlich
identifiziere ich mich noch mehr mit euch Schülern als mit Rektor
Quinn und den anderen Lehrkräften.“
Robin
hörte sich das an, aber nahm ihm das nicht wirklich ab. Er
verabscheute den Luft-Elementaristen und wünschte sich, dass er ihn
einfach in Ruhe ließe. Doch er redete einfach weiter:
„Ich
hatte geglaubt, ihr würdet es cool finden, auf eine Studentenparty
mitzukommen. Ich ging davon aus, dass ihr spießige Lehrer nicht mögt
und ich auf diese Weise besser bei euch ankomme.“
„Du
wolltest dich also bei uns einschleimen?“
„So
ist das auch nicht. Es ist...“ Weiter wusste der Junglehrer nicht.
Er fühlte sich ertappt.
„Und
was sollte das mit Iggy?“
„Wie
meinst du das?“, hakte Skye unschuldig nach.
„Du
hast dich an ihn rangemacht.“ Robin spie diesen Vorwurf verächtlich
aus.
„Da
hast du etwas falsch verstanden. Ich wollte nur ein bisschen Spaß
machen.“
„Du
hast dich halbnackt ausgezogen und eng umschlungen mit ihm getanzt“,
fügte der Sechzehnjährige kühl hinzu.
„Ich
verstehe, dass das vielleicht so rübergekommen sein muss. Aber ich
stehe nicht auf Jungs. Das war nur Spaß.“
Robin
glaubte ihm nicht, denn als er bei dieser Einzelstunde in Skyes Büro
war, hatte er auch das Gefühl, dass sich der Lehrer an ihn
herangemacht hatte.
„Wie
geht es Iggy?“, fragte der junge Lehrer nach und versuchte
Mitgefühl in seiner Stimme mitschwingen zu lassen. Robin merkte aber
sofort, dass er ihm nur etwas vorspielte.
„Er
wird schon wieder.“
„Es
tut mir wirklich leid. Können wir nicht noch mal von vorne anfangen?
Ich kann dir auch wieder Nachhilfe im Element Luft geben. Ich zeige
dir dann ein paar coole Tricks. Schau mal.“
Skye
stellte sich ein paar Meter vor seinem Schüler und streckte seine
Hände aus. Ein starker Wind wirbelte um ihn herum. Glücklicherweise
waren gerade keine Menschen in der Nähe, die dieses Schauspiel
bemerken könnten. Der Luft-Elementarist beschwor den Wind und ließ
ihn um sich und den blonden Schüler herumkreisen. Schließlich
bildete sich ein kleiner Wirbelsturm, der herumliegende Blätter
aufwirbelte. Das ganze war atemberaubend, was selbst Robin zugeben
musste.
„Ich
kann dir das auch beibringen, wenn du mich lässt.“
Doch
Robin wollte nicht. So antwortete er:
„Nein
danke! Kein Bedarf.“
Mit
diesen Worten drehte er sich herum und ließ seinen Lehrer einfach
stehen. Er konnte Skye einfach nicht trauen.
Was
bezweckt dieser Kerl?
Am
Abend ging es Iggy schon viel besser. Im Bett machte er sich die
ganze Zeit Gedanken. Er war völlig durcheinander und wusste nicht,
wie ihm geschah. Nach einer Dusche wollte er sich noch einmal mit
seinem Mitbewohner unterhalten.
„Was
hast du jetzt vor?“, wollte er von Robin wissen.
„Wie
meinst du das?“
„Na
ja, vielleicht willst du nicht mehr ein Zimmer mit mir teilen.“
„Das
ist doch Quatsch“, äußerte der Sechzehnjährige ernst. „Ich
sagte dir schon vorhin, dass mir egal ist, auf wen oder was du
stehst. Du bist mir ein Freund geworden und das wird sich nicht
ändern.“
Robin
sah seinem Mitbewohner an, dass ihm ein Stein vom Herzen fiel. Aber
dann bemerkte er, dass ihn noch etwas beschäftigte.
„Und
was ist mit Skye?“, hakte der Rotschopf nach. „Willst du Quinn
die ganze Sache stecken?“
„Am
liebsten würde ich das. Ich finde, er sollte hier nicht
unterrichten“, erklärte Robin. „Aber dir zuliebe lasse ich es
bleiben. Ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen.“
„Danke
dir, Robin. Das weiß ich zu schätzen.“
„Aber
du hältst dich ab jetzt außerhalb des Unterrichts von Skye fern!“,
befahl er seinem neuen Kumpel.
„Ja“,
entgegnete Iggy, „ich will nur noch einmal mit ihm sprechen und das
klären.“
„Ich
habe heute schon mit ihm gesprochen. Für ihn war das angeblich Spaß
und nicht ernstgemeint. Er stritt ab, dass er dich verführen
wollte.“
„Umso
mehr muss ich noch ein letztes Mal persönlich mit ihm sprechen.“
Robin
nickte verständnisvoll.
„Du
hast recht. Du solltest ihm noch mal deine Meinung sagen.“
Iggy
lächelte. Er war dankbar für Robins Freundschaft. Er beschloss, es
sofort hinter sich zu bringen und den Lehrer aufzusuchen. Der blonde
Schüler wünschte ihm viel Erfolg, als er das Zimmer verließ. Robin
hoffte, dass sein Freund die Sache ein für alle Mal beenden würde.
Gleichzeitig baute er darauf, dass er ebenfalls von dem Lehrer in
Ruhe gelassen werden würde. Ihm reichte es, ihn überhaupt noch im
Unterricht sehen zu müssen. Das war ihm eigentlich schon zu viel.
Vielleicht
schmeißt ihn ja Quinn irgendwann trotzdem von der Schule.