Am
Vormittag hatten sie dann zwei Unterrichts-Blöcke bei Herrn von
Zimmenthal, der seine unausstehliche Art wieder unter Beweis stellte.
Er würde definitiv nicht zum Lieblingslehrer des Sechzehnjährigen
werden. Nicht mal diejenigen, die in seinem Tutorium waren, mochten
ihn. Man merkte besonders an Marina, dass sie den Lehrer nicht
mochte. Während sie in den anderen Unterrichtsstunden fleißig und
freundlich zurückhaltend mitarbeitete, war sie bei ihm recht
reserviert. Sie meldete sich zwar mindestens genau so oft wie in den
anderen Stunden, antwortete aber stets in einem sachlichen und
ernsthaften Ton.
Nach
der Mittagspause hatten sie dann noch Kunstunterricht bei Herrn
Hawkins. Dieser war wieder einmal äußerst charmant und freundlich -
besonders zu Robin:
„Ich
bin sehr stolz auf dich“, flüsterte er dem Schüler zu, als sie
gerade dabei waren, ihre eigene Hand mit Bleistift zu zeichnen. Robin
fand das sehr anbiedernd und war überhaupt nicht von seiner Art
angetan.
„Der
hat jetzt einen Narren an dir gefressen“, lachte Iggy los, als Skye
zum nächsten Schüler weiter zog, um sich dessen Zeichnung
anzusehen.
Robin
hätte viel lieber gehabt, dass jemand anderes einen Narren an ihn
fressen würde. Aria sah wieder bildhübsch aus in ihrem türkisen
Spaghettiträgertop und der eng anliegenden Bluejeans. Als sie
zeichnete, wirkte sie sehr konzentriert. Der Bleistift in ihrer Hand
flog nur so über das Papier. Gerne hätte der Sechzehnjährige einen
Blick auf die Zeichnung seiner Mitschülerin geworfen. Er selbst war
nicht sehr künstlerisch begabt und er hatte es sehr schwer,
überhaupt einen geraden Strich zu erzeugen.
Als
Skye bei Aria angekommen war, lächelte er das Mädchen freundlich an
und sie strahlte zurück. Für Robin war es offensichtlich. Er konnte
quasi die Herzchen in ihren Augen spüren und kochte vor Eifersucht.
Was
findet sie nur an diesem Schleimbeutel?
Nach
der Unterrichtsstunde unterhielt sich Robin kurz mit Iggy und Jojo,
bevor er sich auf den Weg in das Verwaltungsgebäude machte. Er
fragte seine beiden Mitschüler, was Mädchen so toll an Hawkins
fanden.
„Du
meinst wohl, was Aria so toll an ihm findet“, verbesserte Iggy.
„Ach
was“, wunderte sich Jojo, „du stehst auf Aria?“
Robin
wurde knallrot im Gesicht und stieß Iggy mit dem Ellenbogen in die
Seite.
„Ist
doch nicht schlimm“, beschwichtigte der Muskelprotz den blonden
Jungen, „ich kann dich gut verstehen. Sie sieht unheimlich heiß
aus.“
„Jetzt
sag bloß nicht, du stehst auch auf sie?“, wollte Iggy neugierig,
wie er war, wissen.
„Keine
Sorge“, erwiderte er ruhig. „Ich überlasse sie dir, Robin. Falls
unser Lehrer sie dir nicht wegschnappt.“ Dabei lachte er neckisch.
Der
Sechzehnjährige verabschiedete sich sodann ein wenig verärgert von
seinen Mitschülern und machte sich auf den Weg in Quinns Büro.
Dort
angekommen führte ihn der Rektor in einen kleinen Konferenzraum.
Dort befand sich ein runder Tisch, um den sich die Lehrkräfte des
Internats gesetzt hatten. Serafina Funke wies auf den Stuhl zwischen
sich und Skye Hawkins, auf den sich Robin setzen sollte. Rektor Quinn
setzte sich ihm genau gegenüber zwischen Herrn von Zimmenthal und
Frau Bottenberg. In der Mitte des Tisches befanden sich verschiedene
Getränke wie Wasser und Orangensaft sowie ein paar Gläser für die
Teilnehmer dieser Besprechung.
Der
Sechzehnjährige fühlte sich etwas unwohl unter den Lehrern. Aber
irgendwie kam er sich wichtig vor. Er war gespannt darauf, wie es mit
ihm nun weiter gehen würde. Und so wartete er darauf, dass sein
Schulleiter beginnen würde.
Schließlich
war es auch soweit und der Rektor ergriff das Wort:
„Lieber
Herr Held und liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen alle, warum
wir uns heute hier zusammengesetzt haben. Wir haben mit Herrn Held
einen sehr speziellen Schüler an unserem Institut. Es ist ein Fall
eingetreten, der historisch und geografisch gesehen äußerst selten
auftritt. Herr Held ist ein Elementum.“
Elementum?
Was soll das heißen?
Robin
hatte dieses Wort bisher noch nicht gehört und er fragte sich, was
das zu bedeuten hatte. Es klang sehr seltsam. Herr Quinn fuhr mit
einer Erklärung fort.
„Herr
Held, ein Elementum ist ein Elementarist, der alle vier Elemente
beherrschen kann. Mit den gestrigen Tests hat sich herausgestellt,
dass Sie ein Elementum sind.“
„Ist
das was Gutes?“, wollte der überraschte Junge wissen.
„Und
ob“, mischte sich nun Skye ein. „Das ist phänomenal! Damit
trägst du ein hohes Potential an Macht in dir. Darum würden dich
viele beneiden.“
„Herr
Hawkins“, unterbrach ihn der Rektor „bitte beherrschen Sie sich.
Was Ihnen Herr Hawkins mitteilen möchte, ist, dass Sie sich keine
Sorgen machen brauchen. Prinzipiell ist das eine gute Sache.“
„Da
bin ich aber froh“, seufzte der Sechzehnjährige erleichtert.
„Nun
hat das für uns organisatorische Folgen“, sprach Quinn weiter.
„Das Konzept unseres Internat sieht kein Elementum vor. Wir haben
Praxisschwerpunkte, die parallel unterrichtet werden. Bisher waren
Sie bei Frau Funke im Feuer-Schwerpunkt. Sie müssen aber auch die
Chance haben in den anderen Elementen unterrichtet zu werden.“
„Heißt
das, Frau Funke ist nicht mehr meine Tutorin?“, wollte Robin
unbedingt wissen. Er mochte Serafina Funke sehr.
„Keine
Angst“, antwortete seine Lehrerin für den Rektor, „ich bleibe
hier deine Ansprechperson.“
„Das
ist das kleinste Problem“, ergriff Quinn wieder das Wort. „Frau
Funke haben Sie ja auch noch in vielen anderen Fächern. Das größere
Problem ist der Unterricht in den Elementen. Da haben wir uns
verschiedene Modelle ausgedacht, mit denen wir alle nicht zufrieden
sind.“
„Und
die wären?“, erkundigte sich Robin.
„Also
wir hatten darüber nachgedacht, dass Sie die verschiedenen
Praxisschwerpunkte wochenweise wechseln. Aber das funktioniert nicht,
weil Sie nicht mittendrin einsteigen können, ohne die Grundlagen zu
kennen. Dann hatten wir überlegt, dass Sie jedes halbe Jahr
wechseln. Aber da verhält sich das Problem ähnlich. Sie könnten
auch jedes Jahr den Kurs der Elftklässler besuchen, auch wenn Sie
dann schon im 12. oder 13. Schuljahr sind. Aber dann würden Sie nur
drei Elemente abarbeiten und jeweils ebenfalls nur die Grundlagen
erarbeiten und in keinem Element wirklich versiert sein.“
„Das
klingt alles nicht wirklich gut“, kommentierte Robin die
Ausführungen des Rektors.
„Ich
sagte ja bereits, dass alle Varianten nicht wirklich
zufriedenstellend sind. Leider haben wir auch nicht die Möglichkeit,
Ihnen ein versiertes Elementum zur Seite zu stellen. Dafür gibt es
leider zu wenige Ihrer Art auf der Welt und meines Wissens gibt es
kein Elementum mit einer Lehrerausbildung.“
„Schade“,
entgegnete der Sechzehnjährige. „Und was haben Sie sich nun
ausgedacht?“
„Leider
hatten wir noch nicht genügend Zeit, um uns eine angemessene
Alternative auszudenken. Wir werden über das Wochenende
recherchieren, ob es irgendwo auf der Welt einen ähnlichen Fall gab,
von dem wir uns das Modell kopieren können. Daher bitte ich Sie noch
um etwas Geduld. Meine Kolleginnen, Kollegen und ich werden heute
Nachmittag noch eine Weile hier zusammensitzen und darüber
nachdenken. Wir hoffen bis Montag eine Lösung gefunden zu haben.“
Robin
seufzte, konnte aber die Handlungsweise seines Rektors
nachvollziehen. Er gab sich mit dieser Unterredung zufrieden. Er
fand, es war sowieso nicht seine Aufgabe über die Lösung seine
Falles nachzudenken.
Da
sollen sich die Lehrer ruhig den Kopf zerbrechen.
Robin
bedankte sich bei seinen Lehrern und seinem Rektor und verließ
daraufhin den Konferenzraum wieder. Nun hatte er wieder etwas zum
Grübeln, denn er war ein Elementum. Er wusste nicht, was dies
bedeuten sollte und daher war das etwas, was ihm erst bewusst werden
musste. Er konnte die Ausmaße seiner Fähigkeiten noch nicht im
Ansatz erahnen.