Iggy
war munterer und ging sofort ins Bad und duschte. So konnte sich
Robin erst einmal im Bett strecken und langsam wach werden. Er
schaute auf sein Smartphone und guckte, ob er vielleicht eine
Nachricht seiner alten Freunde, die er zurückgelassen hatte,
bekommen hatte. Aber diese waren sicherlich auch zur Tagesordnung
übergegangen. Sie würden nun auch alle eine normale Oberstufe
besuchen. Es war schmerzlich, sie zurückzulassen, aber die Vorfreude
auf die kommende Zeit gab ihm Kraft. Die Wege hätten sich sowieso
weitgehend getrennt, da sich jeder in seinem Freundeskreis eine
andere Schule ausgesucht hatte. Sie versprachen sich zwar, sich
trotzdem regelmäßig privat zu sehen, aber Robin wusste, dass sich
viel verändern würde, sobald neue Freundschaften auf den neuen
Schulen geknüpft wurden. Da machte er sich nichts vor. Das
erleichterte ihm den Sprung auf das Internat.
Als
Iggy fertig gestylt aus dem Bad kam, sprang Robin schnell unter die
Dusche. Gemeinsam machten sie sich dann um 08:00 Uhr auf den Weg in
die Mensa zum gemeinsamen Frühstück. Sie stellten sich an die
Essensausgabe und suchten sich anschließend einen freien Platz. Um
sie herum war ein regelrechter Trubel.
„Warum
müssen alle am Morgen schon so laut sein“, beschwerte sich Iggy.
„Da bekommt man ja Kopfschmerzen.“
„Du
warst doch heute Morgen auch schon so fit“, wies ihn sein
Mitbewohner hin.
„Aber
ich war nicht laut, oder?“
Um
kurz vor 09:00 Uhr machten sie sich dann auf den Weg zu den
Unterrichtsräumen. In der ersten Stunde hatten sie Theorie der
Elemente und da würden sie zum ersten Mal ihre Klassenkameraden
sehen.
Sie
betraten den Raum und suchten sich einen Platz. Kurz darauf kam auch
schon die Lehrerin herein. Sie stellte ihre Tasche vorne auf dem Pult
ab und begrüßte die Schüler:
„Guten
Morgen! Mein Name ist Terra Bottenberg und ich unterrichte die
Theorie
der Elemente
und Gesellschaftslehre
in dieser Klasse. Einige von Ihnen werden mich auch im
Praxisschwerpunkt
Erde
wiedersehen.“
Frau
Bottenberg war eine kräftige, untersetzte Frau mit schwarzen,
welligen Haaren, die ihr über die Schulter fielen. Sie hatte wache,
braune Augen, eine kleine Stupsnase und schmale Lippen.
Sie
wird wohl im gleichen Alter sein wie Serafina Funke,
dachte sich Robin.
Die
Lehrerin trug ein schwarzes Pailletten-Oberteil und einen schwarzen
Blazer darüber. An den Ohren trug sie goldene Kreolen und um den
Hals hatte sie eine goldene Kette, an der ein Schlüssel hing, auf
dem eine Sonne eingraviert war. Untenrum trug sie einen wallenden
schwarzen Rock, der ihr bis zu den Knöcheln reichte.
„Da
Sie sich heute zum ersten Mal sehen“, fuhr Frau Bottenberg fort,
„möchte ich zunächst eine Vorstellungsrunde mit Ihnen machen. Den
ersten inhaltlichen Punkt verschieben wir dann auf die nächste
Unterrichtsstunde.“
Das
gefiel der Klasse und so setzten sie sich in einen Stuhlkreis, um
etwas über sich zu erzählen.
Den
Anfang machte eine blonde Schönheit, wie Robin fand. Sie stellte
sich mit dem Namen Aria Himmel vor:
„Mein
Element ist die Luft“, erzählte sie freudig. „Meine Hobbys sind
Malen und Tanzen.“ Sie berichtete davon, dass sie Hip Hop und
Streetdance betrieb, doch Robin konnte kaum zuhören. Viel zu sehr
war er von ihrem Aussehen überwältigt. Ihre glatten Haare fielen
ihr gestuft über die Schultern. Ihre strahlend azurblauen Augen
wurden von langen Wimpern umrahmt. Sie hatte ein makelloses
Puppengesicht mit wunderschön geformten Lippen. Rechts unter ihrem
Mund hatte sie ein kleines Muttermal, welches ihr Robins Meinung nach
gut stand. Auch ihre Figur war sportlich, was wahrscheinlich dem
Tanzen zu verdanken war. Sie trug eine knappe Hotpants und ein weißes
T-Shirt mit einem blassrosa Schriftzug mit dem Namen der Marke. Robin
nahm sich vor, sie näher kennen zu lernen.
„Boah“,
flüsterte Iggy ihm zu, „schau dir mal den Klotz an!“
Robin
konnte kaum den Blick von der Schönheit nehmen, als ihn sein neuer
Mitbewohner so aus seinem Tagtraum riss. Er folgte der Richtung, die
ihm Iggy vorgab und schaute sich den Klassenkameraden an, den er
gemeint hatte. Er war ein richtiges Muskelpaket, dessen beiges
T-Shirt drohte, aus allen Nähten zu platzen. Später stellte sich
heraus, dass sein Name Joris Keller war und er dem Element der Erde
zugehöre. Seine wuscheligen braunen Haare und dunklen Augen sahen
wild aus. Sein Gesicht hatte markante Züge und sein Kinn zierte ein
auffälliges Grübchen, wie es Elvis Presley damals hatte. Als er
sprach, strahlte er jedoch eine Ruhe aus, die im Kontrast zu seinem
Aussehen stand.
Doch
lange konnte er sich den Muskelprotz nicht anschauen. Viel lieber
warf er seine Augen auf die hübsche Blondine.
Nach
knapp sechzig Minuten war die Vorstellungsrunde beendet. Noch dreißig
Minuten waren übrig geblieben. Frau Bottenberg nutzte diese Zeit, um
eine kleine Einführung in das Fach zu geben und die Lehrbücher
auszuteilen. Danach schloss sie den Unterricht etwas früher.
„Heute
ist ja Ihr erster Tag. Da möchte ich Sie nicht überfordern“,
sprach sie und entließ daraufhin die Schüler in den
Mathematikunterricht.
Dieser
ging sofort richtig los. Serafina Funke stellte sich lediglich kurz
denjenigen vor, die sie noch nicht kannte und teilte sogleich die
Mathebücher aus. So nett und sympathisch sie Robin vorkam, so
anspruchsvoll war leider auch ihr Unterricht. Und Mathe war nie seine
stärke gewesen.
Gleich
zu Anfang wollte sie schauen, wie die Vorkenntnisse ihrer Schüler
war und stellte ein paar Aufgaben. Auch Iggy war völlig überfordert
und so grübelten sie zu zweit über die für sie unlösbaren
Aufgaben.
Nur
eine Mitschülerin schien keine Probleme mit den gestellten Aufgaben
zu haben und so forderte Frau Funke sie auf, ihren Mitschülern die
Aufgaben an der Tafel einmal vorzurechnen.
Robin
konnte sich noch aus der Vorstellungsrunde an ihren Namen erinnern:
Marina Hollenbach. Ihr Aussehen schien sich anscheinend zu
bestätigen, denn sie sah tatsächlich wie eine Streberin aus. Sie
hatte dunkelbraunes, langes, glattes Haar, welches ihr über den
Rücken fiel. Ihr gerade geschnittener Pony verdeckte fast ihre
kleinen Augen. Auf ihrer Stupsnase trug sie eine riesige Nerd-Brille.
Sie war klein und zierlich. Sie trug ein weites blaues Top, welches
ihr über eine Schulter hing, und eine dunkelblaue Leggins. Sie
schien sehr schüchtern zu sein, da sie sehr leise zur Klasse sprach.
Man musste sich schon sehr konzentrieren, um sie zu verstehen.
„Das
machen Sie ganz toll, Marina“, lobte sie die Lehrerin. „Seien Sie
selbstbewusster und sprechen lauter!“
Das
schien der kleinen Wasser-Elementaristin schwer zu fallen, aber sie
erklärte alle Aufgaben fehlerfrei. Robin überlegte sich, ob er sich
vielleicht Nachhilfe von ihr geben lassen sollte, um seine Lücken
aufzuarbeiten.
Nach
der Mittagspause hatten sie dann zum ersten Mal ihren
Praxisschwerpunkt. Auch da trafen Iggy und Robin ihre Tutorin wieder.
Frau Funke erklärte, dass sie heute zunächst einmal
Organisatorisches zu klären hatte, bevor sie in der nächsten Stunde
mit dem richtigen Unterricht beginnen würde. Ein großer Punkt war
die Einwahl für die Arbeitsgemeinschaften, die täglich zwischen
16:30 Uhr und 18:00 Uhr stattfanden. Sie waren zwar keine Pflicht,
aber sie riet den Schülern dennoch zumindest eine AG zu besuchen.
Auf
dem Internat wurden einige AGs angeboten, die sich Robin auf
ellenlangen Listen anschauen konnte. Er überlegte erst, ob er die
Englisch-AG besuchen wollte. Aber schließlich wählte er sich in die
Gitarren-AG ein, damit er darin nicht einrostete. Zwar gab es auch
das Fach Musik im Internat, aber da würden sie wohl kaum dazu
kommen, Instrumente zu spielen. Jedenfalls war das auf seiner alten
Schule so. Und so anders würde das Haus 4E auch nicht sein.
Iggy
hingegen entschied sich für die Koch-AG. Robin war erstaunt darüber:
„Du
kochst?“
„Ja“,
gab der Rotschopf schüchtern zu. „Irgendwie kann ich dabei
entspannen.“
Damit
war auch schon der erste Schultag beendet.